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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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diesen immer häufiger werdenden Sticheleien umgehen sollte, die sich hinter vorgeblicher Witzelei und Schalkhaftigkeit verbargen. Sie schien eine Reaktion von ihm haben zu wollen. Das gab ihr einen Kick. Offenbar wollte sie wissen, wie weit sie bei ihm gehen konnte.
    Er hob kurz die Augen und lächelte sie an. »Ja, das habe ich getan«, erwiderte er leichthin und fuhr fort, in den Unterlagen zu blättern. Aus der fernen Vergangenheit drang die Stimme seiner Mutter zu ihm: »Kraftmeier wollen dir Angst einjagen. Wenn du sie ignorierst, haben sie keinen Spaß und wenden sich dem nächsten Kind zu.« Das hatte sie ihm täglich eingebläut, und es war ein guter praktischer Rat gewesen.
    Sheila blieb an der Tür stehen. Dafydd blickte kurz zu ihr hoch. »Gibt’s sonst noch was?«
    Ihre Dreistigkeit war beispiellos. Sie musterte ihn auf eine Art, die keine Abweisung zuließ.
    »Wissen Sie was?«, fragte sie, legte eine wirkungsvolle Pause ein und zwang ihn, den Augenkontakt dabei aufrechtzuerhalten. Ungeduldig zuckte er die Schultern. »Wenn Sie nicht aufpassen, wird man Sie noch für humorlos halten.«
    »Von welcher Art Humor sprechen wir denn?«, erkundigte er sich.
    »Hören Sie, es würde Ihnen nicht schaden, etwas lockerer zu werden, statt solch ein sturer Bock zu sein. Wir arbeiten eng zusammen, und wir haben hier unsere eigenen Methoden. Es würde Ihnen helfen, sich anzupassen.«
    »Sturer Bock«, sagte er gleichmütig und wandte sich wieder den Akten zu. »Haben Sie mich so genannt?«
    Aus dem Augenwinkel sah er, dass sie ihre Brüste fallen ließ und die Hände an ihr Haar hob, um sich die wilden roten Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Sie war zu weit gegangen, und sie wusste es.
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich«, lachte sie, »aber genau das meine ich mit humorlos. Wir sitzen hier alle in einem Boot. Keiner in diesem Krankenhaus ist besser als der andere.«
    »Tatsächlich?« Dafydd hob den Blick wieder. Ihre Augen bohrten sich in seine, und mit leicht geöffnetem Mund wartete sie auf eine Herausforderung. »Ich habe den Eindruck, dass Sie große Macht über andere haben«, sagte er. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Sie sich selbst mit anderen auf eine Stufe stellen, so wie Sie sich wichtig machen.«
    »Wenn Sie meinen«, fauchte sie und wandte sich zum Gehen.
    Er kicherte verstohlen. Humorlos …? Nach wessen Maßstäben? »Was wollen Sie eigentlich von mir?«, rief er, ohne an einer Antwort interessiert zu sein.
    Sie verlangsamte ihre Schritte, aber sie konnte ihm sichtlich nichts entgegnen. Dafydd atmete tief aus. Er sollte sich auf ihre Sticheleien nicht einlassen. Vielleicht schmeichelte er sich, aber er spürte, dass sein Mitwirken schon bald zu einer sexuellen Annäherung führen würde. Doch sie machte ihm Angst.
    Plötzlich drehte sich Sheila um und kehrte in den Raum zurück. »Hören Sie zu. Sie glauben, dass die Welt riesengroß ist, nicht wahr? Sie haben gedacht, Sie könnten herkommen und sich hier verstecken? Ich weiß, wovor Sie fliehen. Das habe ich in null Komma nichts herausgefunden. Also seien Sie mir gegenüber nicht so selbstgefällig.« Sheila verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihr Gesicht war leicht gerötet, und ihre Augen funkelten vor kaum verhohlener Genugtuung.
    Dafydd schnappte nach Luft. Verflucht. »Na und?« Obwohl er geschockt war, versuchte er, gelassen zu klingen. Es hatte wirklich keinen Sinn, irgendetwas zu leugnen. »Was wollen Sie damit anfangen?«
    »Nichts«, sagte sie lächelnd. »Geben Sie nur Ihre Arroganz auf, diese schmierige britische Selbstgerechtigkeit. Wenn man bedenkt, wo Sie herkommen, ist das völlig fehl am Platze.«
    Sie stand vor ihm, und er fühlte sich in seiner sitzenden Position im Nachteil. Also erhob er sich und schaute sie an. »Arroganz? Selbstgerechtigkeit? Sheila, ich bin verblüfft. Glauben Sie mir, ich bin durch das, was ich getan habe, schon genug gedemütigt. Mein Selbstvertrauen ist auf dem Nullpunkt, und genau darauf prügeln Sie dauernd ein.«
    Sheila antwortete nicht. Sie schien zu merken, dass er recht hatte, deshalb fuhr er mutig fort: »Ich versuche zu verstehen, wo Ihr Problem liegt. Sind es ganz allgemein Männer oder Briten oder Ärzte oder Verlierer oder jeder, der eine höhere Qualifikation besitzt als Sie? Oder vielleicht gefällt Ihnen auch ganz einfach mein Gesicht nicht. Ich bemühe mich hier nach Kräften, einfach den Job in den Griff zu bekommen, und ich verstehe beim besten Willen

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