Zeit der Eisblueten
auf dem Beilagenteller herum, was ein lautes rhythmisches Klicken erzeugte. Ihre Nachbarn starrten böse zu ihr rüber. Sie zeigte ihnen ihre nicht angezündete Zigarette, und sie wandten die Augen ab.
Obwohl das Restaurant voll war, sprachen alle gedämpft, sodass nur ein leises Summen aufkam. Die Tische standen zu dicht beieinander, jedes Wort konnte mitgehört werden.
Dafydd winkte Eduardo heran. Der lag schon auf der Lauer und eilte herbei.
»Eduardo, warum gibt’s keine Musik? Können wir nicht die Achtziger-Auswahl hören – Sie wissen schon, die Sie selbst zusammengestellt haben?«
»Es tut mir sehr leid«, erwiderte Eduardo verlegen. »Das System ist heute zusammengebrochen – ganz schrecklich.«
Er stürmte davon und brachte ihnen eine weitere Flasche. Sie tranken zu schnell.
»Lass uns bestellen. Bald bin ich besoffen«, sagte Isabel ziemlich laut.
Eduardo nahm ihre Bestellung auf. Dann lehnten sie sich zurück und betrachteten einander. Isabel schien unbehaglich zumute zu sein.
»Was ist los?«
»Dafydd, ich glaube, heute Morgen ist der Brief gekommen. Cell-link Diagnostics, stimmt’s?«
»O wirklich?« Er schwieg. Dann wurde ihm plötzlich klar, dass zumindest eine seiner Sorgen endlich begraben werden konnte. »Du hättest ihn öffnen sollen. Dann hätten wir einen richtigen Grund zum Feiern gehabt.« Er ärgerte sich, dass sie ihm nicht am Telefon von dem Brief erzählt hatte.
Sie schaute ihn einen Moment lang wortlos an, bevor sie sagte: »Ich hab ihn in der Handtasche.«
Irgendwie erschreckten ihn ihre Worte. Da war das Ergebnis, endlich in Reichweite.
»Na, was soll’s. Öffne das verdammte Ding«, forderte er sie ärgerlicher auf, als er beabsichtigt hatte.
Sie zögerte. »Bist du sicher, dass du ihn jetzt aufmachen willst?«
»Du hast ihn doch mitgebracht. Warum warten? Öffne ihn.«
Sofort zog sie den Umschlag aus ihrer Tasche und schlitzte ihn mit ihrem Brotmesser auf. Er beobachtete sie, während sie las. Diesen Augenblick würde er lange in Erinnerung behalten, bis ans Ende seiner Tage.
Ihre Miene ließ ihn zusammenfahren, als hätte jemand einen Kübel mit eiskaltem Wasser über ihm ausgegossen. Er riss ihr das Stück Papier aus den Händen und las es ebenfalls. Dann fixierten sie einander.
»Du Lügner«, flüsterte sie. »Du verfluchter Lügner.«
Er war sprachlos. Es konnte nicht stimmen. Er starrte auf das Papier. Die Worte tanzten wild vor seinen Augen, aber er erkannte seinen Namen und den von Mark Hailey. Eine Sicherheit von mindestens 99,99 Prozent. Er wusste, was das bedeutete: Seine Vaterschaft stand außer Zweifel.
»Warum hast du es auf diese Weise gemacht?«, fragte ihn Isabel mit eisiger Ruhe. »Ich habe dich immer für einen intelligenten und sensiblen Mann gehalten. Du hast jede Möglichkeit gehabt, mir die Wahrheit zu sagen. Du wusstest, dass ich sie akzeptieren würde. Du hast vor Jahren eben jemanden gefickt – das wäre mir egal gewesen. Eine unbeabsichtigte Schwangerschaft kann jedem passieren. Du hättest zugeben können, dass du die Sache vergessen hast, betrunken gewesen bist, verführt oder vergewaltigt wurdest – alles Mögliche.« Ihre Stimme hob sich, und die Gäste an den umliegenden Tischen waren verstummt. »Selbst wenn du gesagt hättest, dass du verrückt nach der Frau bist und dich noch immer nach ihr sehnst – ich hätte alles akzeptiert, solange es ehrlich gewesen wäre. Aber nein, du hast immer wieder beteuert, dass du ihr noch nicht einmal nahegekommen bist. Du hast nicht davon abgelassen. Warum verletzt du mich so? Warum?«
Eduardo kam mit ihrer Fischsuppe auf ihren Tisch zu. Dafydd winkte heftig, um ihm Einhalt zu gebieten. Der verwirrte Mann näherte sich dennoch. Das Ehepaar neben ihnen starrte sie unverhohlen an, genau wie ein paar andere Personen. Isabel zündete ihre Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, drehte den Kopf und blies den Rauch über ihren Tisch. Die Frau hustete hysterisch, kniff die Augen zusammen und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Nervös stellte Eduardo die Teller mit dampfender Suppe ab. Dann entfernte er sich rückwärts und mit gesenktem Kopf, ohne sich um die Aufforderungen der wütenden Asthmatikerin zu kümmern.
»Und was ist mit den anderen Dingen, die sie behauptet hat?«, zischte Isabel.
»Bitte«, flehte Dafydd, »du kannst doch nicht …«
»Schließlich hast du mich über alles andere belogen. Du hast Glück, dass sie dir keine Vergewaltigung nachweisen kann.« Sie zog an dem
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