Zeit der Eisblueten
man mit Feuerwasser trinken musste.
Bear war wieder entschlossen, in seinem eigenen Bett zu bleiben und seine eigenen bewährten Mittel zu nehmen sowie zusätzlich ein paar Antibiotika zu schlucken, aber diesmal sprach Dafydd ein Machtwort. »Verflucht noch mal, du kommst mit, selbst wenn ich deine Füße an den Chrysler binden und dich hinschleifen muss.«
»Ich werd dir was, du kleiner Scheißer. Ich weiß, dass du mich in eurem dämlichen Krankenhaus saubermachen willst. Mich zieht da nichts hin. Du willst mich doch bloß in die Badewanne stecken.«
Während er sich aufregte, begann er stark zu zittern. Dafydd hob ihn hoch, und der Mann war trotz seiner beträchtlichen Größe leicht wie eine Pappfigur. »Lass mich runter, oder …«, drohte Bear; allerdings begann sein Widerstand zu schwinden. »Ich werde nie mehr mit dir sprechen … jedenfalls jahrelang nicht.«
»Sieh mal, alter Mann, wenn du noch einen Tag lang allein bist, höchstens zwei, müssen sich deine Hunde von deinem Fleisch ernähren … oder von dem, was davon übrig geblieben ist.«
Dafydd setzte Bear vorsichtig auf den Rücksitz des Autos und hüllte ihn in seine schmutzige Steppdecke und in mehrere Wolldecken, die für Notfälle hinten im Chrysler lagen.
Vier Tage später war Bear wieder auf den Beinen und lief auf den Krankenhausfluren herum, wobei seine dürren Beine unter seinem grünen Kittel hervorragten. Er schien den Komfort des Krankenhauses tatsächlich zu genießen. Die Hunde wurden von seinem Enkel gefüttert, und Dafydd versorgte Bear heimlich mit dem Alkohol, der ihn für Gott weiß wie viele Jahrzehnte am Leben erhalten hatte und ohne den er den Kampf bestimmt aufgeben würde.
»So, mein junger Freund, nun hör mal zu. Pass auf, dass dich die Schwester mit dem Karottenhaar nicht dabei erwischt, wenn du mir das Zeug bringst. Sie ist ein reizbarer Drachen und würde uns beide hier rausschmeißen.«
»Ob du’s glaubst oder nicht, sie hat mir nichts zu befehlen. Ich bin nämlich ihr Vorgesetzter.«
»Ei-di-dei«, rief Bear beeindruckt. »Da lass ich mich doch gleich freiwillig teeren und federn.«
»Ich mich auch«, stimmte ihm Dafydd zu.
Die Tage vergingen, und Bear machte keinerlei Anstalten, seine Sachen für eine Rückkehr in die Hütte zu packen. Dafydd beschloss, ihn im Krankenhaus zu behalten, bis er zur Heimkehr bereit war. Vielleicht gewöhnte er sich an die materiellen Annehmlichkeiten, nachdem er in einem bequemen Bett mit sauberer Wäsche geschlafen, schmackhafte Mahlzeiten gegessen und die Gesellschaft anderer alter Leute auf der Station genossen hatte. Fraglos hatten sich seine Wangen ein wenig gerundet. Er war glatt rasiert, und Janie hatte sein hüftlanges Haar gewaschen und gefochten.
Am zehnten Tag beschloss Dafydd jedoch, ihn zur Rede zu stellen. »Wirst du bequem oder was? Ich kann nicht glauben, dass du immer noch hier rumhängst wie ein Kranker. Das hätte ich nie von dir gedacht.«
Bear ging Dafydd nicht in die Falle, sondern bedeutete ihm, näher zu rücken. »Ich sag dir, was ich tue«, flüsterte er. »Ich sammle Kraft für eine große, lange Reise. Ich schätze, es wird meine letzte sein.«
»Was für eine Reise denn?«
»Nach Norden. Zur anderen Seite des Great Bear Lake. Westlich von Coppermine.« Voller Angst, dass seine Pläne von irgendeinem Wichtigtuer belauscht und vereitelt werden könnten, spähte Bear um sich.
»Das ist mächtig weit. Wie gedenkst du denn zu reisen?«, fragte Dafydd fasziniert.
»Ach, da gibt’s ’ne ganze Latte von Möglichkeiten.« Er hielt inne, um verstohlen aus dem Becher zu trinken, den Dafydd ihm gebracht hatte. »Vor Jahren hätte ich die Hunde angespannt. Aber heutzutage kann man natürlich fliegen.« Er sah Dafydd vielsagend an.
»Ich glaube nicht, dass es von Moose Creek aus Flüge in die Nähe von Coppermine gibt. Wahrscheinlich musst du zunächst nach Yellowknife oder Inuvik fahren und von dort aus starten.«
Bear unterdrückte ein Lachen. »Wo ich hinwill, gibt’s keine Linienflüge.« »Vielleicht kann dir dein Enkel einen Piloten besorgen, der dich direkt hinbringt. Aber das kostet einen ganzen Batzen.«
»Nee, mein Enkel mag den Freund nicht, den ich besuchen will.«
»Freund?«
»Ja. Ich hab da rumgegrübelt. Ich dachte, dass du ein bisschen Rat gebrauchen könntest. Mein Freund ist ein angatkuq, ein Inuit-Schamane. Keiner von diesen neumodischen, selbsternannten Fahnenträgern. Nein, nein.« Bear schüttelte den Kopf und wedelte mit dem
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