Zeit der Eisblueten
dass sie ging.
Dafydd verschob seine Rückreise nach Großbritannien, um Sleeping Bear auf dessen letzter Suche zu begleiten. Die Reisevorbereitungen nahmen zwei Wochen in Anspruch. Der Chrysler stand ihm nicht mehr zur Verfügung, und schließlich bot ihnen Bears Enkel für die lange Fahrt nach dem südöstlich gelegenen Yellowknife seinen Ford Kombi an. Von dort aus würden sie direkt nach Norden zu dem Land jenseits des nördlichen Polarkreises fliegen.
Da er den Verdacht hatte, Bear habe ihm aus finanziellen Gründen den Vorschlag gemacht, ihn zu begleiten, erklärte sich Dafydd bereit, die Reise zu bezahlen. Aber es gab kein derartiges Motiv. Bear besaß eine beträchtliche Summe, die auf der Bank Zinsen abwarf. Seine Jahre als Fallensteller und Eistransporteur waren profitabel gewesen, und er rührte seine Ersparnisse kaum an. Doch nun machte er sich daran, Geld auszugeben, und kaufte viele Geschenke, Werkzeuge, Kleidungsstücke und Geräte für seinen Gastgeber und dessen Tochter.
Unterdessen streifte Dafydd zu Fuß umher und genoss die umwälzende Wirkung des Frühlings auf die schneebedeckte Landschaft, die ihn so erfreut hatte. Nun, da er nicht mehr unter dem ständigen Druck lebte, zu schrecklichen medizinischen Notfällen gerufen zu werden, und sich nicht mehr zu Tode langweilte, weil er eine Husten-, Grippe- oder Schnupfeninfektion nach der anderen behandeln musste, sah er die Stadt aus einer neuen Perspektive. Er konnte tun und lassen, was er wollte, und brauchte sich nicht mehr um sein Verhalten Gedanken zu machen oder darum, ob die Menschen ihm trauten. Er war nur ein weiterer normaler arbeitsloser Bürger oder ein Tourist – je nachdem, was ihm besser gefiel.
Nachdem so viele Monate verstrichen waren, wagte er, Brenda zu einem Rendezvous einzuladen. »Ich möchte dir nur für dein strahlendes Gesicht und deine gute Laune danken«, sagte er, um Klarheit zu schaffen. »Ein paar Drinks und ein schönes Essen irgendwo. Wie wär’s damit?«
Sie fragte nicht, warum er bis zur letzten Woche mit seiner Einladung gewartet hatte, obwohl er merkte, dass sie verwundert war. Darauf hätte er auch keine passende Antwort geben können, noch nicht einmal sich selbst. Er wusste nur, dass sie nicht die Art Frau war, in die er sich verlieben würde, und dass es zu viele andere gab, die sich um ihre Gunst rissen. Aber an der Lady war absolut nichts auszusetzen. Sie war witzig und sexy und gesprächig und hatte zu jeder Person, die in der Stadt etwas darstellte, einen geistreichen Kommentar. Er hörte ihr zu und lachte, war vergnügt, fühlte sich begehrt und wurde wahrgenommen, obwohl sie ihm bestimmt nicht wirklich zuhörte. Doch was machte das schon? Er fragte sich, warum er so lange auf ihre Gesellschaft verzichtet hatte. Sie hätte eine dringend benötigte Freundin sein können, wenn das nach ihrer Begegnung am Jackfish Lake noch möglich war.
Sie hatten ihre Mahlzeit in einem eleganten neuen Restaurant halb beendet, als Sheila am Arm eines derben, muskulösen Mannes mit kräftigem Kiefer und buschigen Augenbrauen hereinspazierte. Der sprichwörtliche Holzfäller war in Wirklichkeit ein gewiefter Geschäftsmann, wie Dafydd erfahren hatte, aber er sah auf jeden Fall wie ein grobklotziger Waldarbeiter aus. Sheila passte zweifellos gut zu ihm und machte mit einem Übermaß an weiblicher List wett, was ihr an Körpergröße fehlte. Sie sah umwerfend aus in ihrem kurzen, fließenden, orangefarbenen Kleid und ihren engen, kniehohen Schnürstiefeln. Dafydd schielte unwillkürlich nach ihrem Bauch und bemerkte die deutliche Schwellung.
Von der Tür aus musterte Sheila als Erstes Brenda von Kopf bis Fuß und taxierte die Konkurrenz mit raschem Expertenblick. Offenbar empfand sie Brenda nicht als Bedrohung, denn sie strich ihr rotes Haar zurück und zog ihren Freund mit sich, um ihn vorzustellen.
»Das ist Dafydd, der junge walisische Arzt, den du noch nicht kennst«, sagte sie, ohne Brenda weiter zu beachten. »Er ist derjenige, der mit den Härten des Nordens nicht klarkommt und die Stadt verlassen wird.«
Dafydd hatte sie nie Alkohol trinken sehen, doch sie wirkte geistesabwesend, und ihr schneidender Kommentar war unnötig aggressiv. Ihr Freund, irritiert und verlegen, nickte Dafydd kurz zu und wandte sich dann an Brenda. Er beugte sich vor und küsste ihre Wange. »Hallo Süße. Du siehst prächtig aus. Schmeckt dir das Essen?«
»Klar doch, Randy.« Brenda betrachtete ihn mit glänzenden Augen. »Warum setzt
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