Zeit der Finsternis
schallend zu lachen.
"Ach so, ja klar! Und was darf´s sonst noch sein?", prustete er ironisch zwischen seinen Lachsalven. Plötzlich änderte sich seine Miene und er sah mir todernst in die Augen. "Mal im Ernst Julian, was hast du denn gedacht? Das du hier hereinspazierst und geradewegs in Tamaras Zimmer marschierst? Bist du wirklich so dumm?!"
Ich ballte meine Hände und spürte, wie sich meine Fingernägel in das Fleisch meiner Handflächen gruben. Eigenartigerweise verspürte ich keinen Schmerz. "Ich will sie noch mal sehen...das ist alles.", brachte ich nur mit Mühe hervor. "Also lass mich zu ihr - sonst..."
"Sonst was?!", wollte er hochmütig wissen.
"Sonst beginne ich damit, dir alle Gliedmaßen einzeln abzureißen und dein Herz hebe ich mir bis zum Schluss auf!", knurrte ich den Zwei-Meter-Riesen an, der immer noch wie ein Fels in der Tür stand.
Randall beugte sich zu mir herunter, bis nur noch wenige Zentimeter sein und mein Gesicht trennten, fletschte knurrend die Zähne und drohte: "Du wagst es..."
"Aber, aber", ertönte plötzlich Damians Stimme hinter Randall. "Wer wird denn gleich ausfallend werden. Wir haben doch alle eine gute Erziehung genossen, oder?" Sein fragender Blick traf mich, während er seinen Beschützer zur Seite schob und über die Türschwelle trat.
"Julian", säuselte er, "was verschafft uns denn die Ehre deines Besuches?"
Fast hätte ich bei seiner Begrüßung rot gesehen, denn ich konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn Damian den Unwissenden spielte.
Aber das war seine theatralische Art und ich wusste, wenn ich den Hauch einer Chance haben wollte, Tamara zu sehen, musste ich sein Spiel mitspielen.
"Wir...wir haben deine...Nachricht erhalten.", erwiderte ich tonlos und musste bei der Erinnerung an Andrews verstümmelten Körper fast würgen.
Damians Gesicht erhellte sich und er nickte. "Oh, ja natürlich. Tja, ich muss sagen - ich war ein bisschen verstimmt, als ich von eurem Plan erfahren habe."
Ich rollte innerlich mit den Augen. Ein bisschen verstimmt - Pah! Er hatte Andrew von Tamara töten lassen und danach wahrscheinlich eiskalt Melissa umgebracht!
"Hm...und nun bist du also hier, um deine geliebte Tamara noch ein letztes Mal zu sehen? Oh, mir wird ganz warm ums Herz.", ätzte Damian und begleitete seinen Satz mit einem provokativen Grinsen, "Warum sollte ich dir diesen Wunsch gewähren?"
Ich atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. "Weil du mich dafür bekommst.", erwiderte ich und versuchte, seinem bohrenden Blick standzuhalten.
"Dann ist es also ein Deal? Ich gestatte dir ein letztes Treffen mit ihr und dafür lieferst du dich mir aus?" Damian schien über so viel Selbstlosigkeit fast misstrauisch zu werden, doch ich nickte entschlossen. "Lass mich sie noch einmal sehen - dann gehöre ich dir." Die Worte kamen mir nur flüsternd über die Lippen, denn ich wusste, dass ich gerade mein Todesurteil besiegelte.
"Es ist fast ein Jammer, wenn man sieht, wozu einige unserer Art durch diese alles bestimmende Liebe getrieben werden. Da bin ich direkt froh, dass mir dieser Fluch nie widerfahren ist. Aber gut, es ist deine Entscheidung - also..." Er gab Randall und einem weiteren Untertanen einen Wink und sie packten mich an den Oberarmen, "geleitet unseren Gast doch bitte hinein. Ich verspreche dir, dass du Tamara noch einmal zu Gesicht bekommst."
Ich wusste, dass ein Versprechen aus seinem Mund wertlos war, protestierte jedoch nicht. Kaum hatte er seinen Satz beendet, wurde ich rabiat durch die Tür gezerrt und durch die Empfangshalle bugsiert. Damian schritt voran und kam vor einem Raum zu stehen, der nichts Gutes verhieß. Er stieß die Tür auf und ließ mich in die Mitte des Zimmers führen. In der Decke öffneten sich kleine Klappen, aus denen Stahlketten heruntergelassen wurden.
Verwirrt blickte ich mich um. "Was...was soll das werden?!", rief ich und versuchte mich aus der beidseitigen Umklammerung zu winden. Doch Randall griff blitzschnell nach den beiden Ketten und ehe ich mich versah, waren meine Handgelenke damit fixiert. "Ich habe nicht gesagt, wie du ihr begegnen wirst. Ab jetzt gelten meine Regeln, Julian!" Damian trat auf mich zu und ich konnte seinen Atem in meinem Gesicht spüren. "Weist du, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe?" Seine Stimme war ein raues Flüstern, doch ich konnte den triumphierenden Unterton, der in ihr mitschwang vernehmen. Natürlich wusste ich das. "Zweihundertsechsundneunzig Jahre! Weggelaufen bist du damals, wie eine feige
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