Zeit der Finsternis
Ratte!" Er funkelte mich zornig an. Obwohl meine Flucht schon fast drei Jahrhunderte her war, wusste ich, dass ich von Damian nicht mal die leiseste Spur von Gnade erwarten konnte. So geduldig er war (schließlich hatte er alle Zeit der Welt, um zu warten, bis die Dinge sich zu seinem Vorteil entwickelten), so nachtragend, rachsüchtig und machthungrig war er im selben Maße.
Kaum hatte ich meine Gedanken zu Ende gefasst, streckte mein Schöpfer seine Hand in Randalls Richtung. Dieser nickte stumm, zog einen Schürhaken, der schon eine Weile im Feuer verweilt hatte, da er rot glühte, aus den knisternden Flammen und reichte die Metallstange mit größter Vorsicht seinem Meister.
Ich sog zischend Luft ein und presste die Zähne aufeinander, denn ich wusste, was mich nun erwartete. Im Bruchteil einer Sekunde rammte Damian mir den Schürhaken in die Schulter, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Der glühende Schmerz, der sich augenblicklich durch mein Fleisch fraß, entlockte meiner Kehle einen spitzen Aufschrei. Schnaubend krallte ich meine Hände in die Ketten, die mich aufrecht hielten und ließ den Kopf nach vorne sinken.
"Das ist nur der Anfang.", zischte Damian, ehe er den Haken mit einem Ruck aus meinem Körper zog.
Kapitel 9: Tamara - Blutendes Herz
Ich konnte die gequälten Schreie bis in mein Zimmer hören. Sie hallten durch die Gänge und ließen mich jedes Mal aufs Neue zusammenzucken. Ich wusste, von wem die Schreie kamen. Diese Tatsache trieb mir Tränen an die Oberfläche, die mein manipulierter Verstand versuchte zu unterdrücken. Es fühlte sich an, als würde mein Kopf jeden Moment explodieren.
Unruhig wanderte ich hin und her. Erst langsam, dann immer schneller. Verzweifelt schritt ich den kleinen Raum auf und ab.
Wieder ein Schrei, der mir bis ins Mark fuhr und jede Faser meines Körpers erzittern ließ!
Was tat ihm dieses Monster nur an?!
Ich lehnte meine Stirn gegen die kühle Wand, als hoffte ich, dass dadurch meine Gedanken ruhiger werden würden. Aber mit jeder Sekunde die verging, mit jedem Schrei, wurde es unerträglicher.
Verzweifelt schlug ich mit der Faust direkt neben meinem angelehnten Kopf, in die Wand. Der Ziegel, den ich damit zertrümmert hatte, knackte und ließ rötlichen Putz auf den Boden rieseln. Wieder drängten sich die Tränen in meine brennenden Augen.
Ich rutschte langsam auf den Boden und kauerte mich mit angezogenen Knien in die Ecke. Meinen Kopf hielt ich zwischen den Händen fest, damit er nicht platzte.
Einige Zeit verging, ich wusste nicht genau wie viel, doch plötzlich waren die Schreie von Julian verstummt. Ich rappelte mich langsam auf und horchte. Außer meinem laut pochenden Herzen, vernahm ich jedoch nichts.
Nein! Sie hatten ihn doch nicht...?! NeinNeinNeinNein!
Verzweifelt sank ich auf den nackten Boden zurück und konnte ein ersticktes Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Ich japste nach Luft. Die Vorstellung, dass sie ihn wahrscheinlich getötet hatten, raubte mir den Atem!
Die Tränen drängten sich jetzt unter Schmerzen aus meinen Augewinkeln, denn ich wusste, ich durfte nicht wegen ihm weinen. Nein, ich durfte noch nicht einmal an ihn denken. Er hatte es mir verboten.
Doch irgendetwas in meinem Innersten kämpfte mit aller Macht dagegen an und bewirkte, dass sich mein Herz anfühlte, als würde es in Stücke gerissen.
Dunkelrote Tropfen fielen von meinem Kinn auf den Fußboden. Ich griff mir erschrocken an die Wangen und fuhr mit den Fingern über meine Haut.
Als ich meine Hände betrachtete, waren meine Fingerspitzen blutverschmiert.
Panisch sprang ich auf, rannte zu meinem Bett und griff zwischen die Matratzen. Dort hatte ich einen kleinen Handspiegel versteckt, den Mathilda mir gegeben hatte. Mein Atem entwich meiner Lunge nur stoßweiße und meine Hände zitterten so sehr, dass ich den Spiegel um ein Haar hätte fallen lassen.
Ich erschrak bei dem Anblick meines Gesichts, denn ich hatte offenbar tatsächlich Blut geweint. Davon zeugten die roten Schlieren, die sich von meinen Augen bis zu meinem Kinn zogen und die ich mit meinen Fingern verwischt hatte.
Keuchend ließ ich den Spiegel sinken und lehnte mich gegen den Bettkasten, als in diesem Moment die Tür entriegelt wurde. Ich schaffte es gerade noch, den Spiegel unter der Matratze verschwinden zu lassen, dann wurde die Tür geöffnet.
Mathilda trat zögernd ein und blickte mich an. Sie runzelte die Brauen, als sie mein Gesicht sah und ihre Miene wurde betroffen. "Du...du musst mitkommen.",
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