Zeit der Finsternis
ihr Instinkt zur Selbsterhaltung vom vielen Alkohol gleich mit betäubt worden. Zwar war die Verlockung ihres Blutes fast übermächtig, doch der Gedanke an Tamara ermahnte mich, dass ich nicht wieder rückfällig werden wollte.
Ich packte Julie energisch an den Schultern, hob sie eine Unterarmlänge von mir weg und sah ihr durchdringend in die Augen. "Wenn du wüsstest, was ich mit dir machen würde wenn wir zusammen von hier verschwinden, würdest du um dein Leben laufen. Aber ich bin nicht hier, um unschuldige junge Frauen umzubringen, also vergiss, dass du mich ansprechen wolltest, geh zu deinen gackernden Weibern zurück und such dir einen anderen aus, den du dann stundenlang bequatscht!" Meine Stimme war nur ein Zischen, aber meine Worte brannten sich in ihr Gehirn und bewirkten, dass sie wie hypnotisiert nickte und von dannen trottete.
Ich brauchte dringend frische Luft! Während ich aufstand, knallte ich dem Barkeeper einen Hunderter auf den Tisch und wankte zur Tür. Ich riss sie auf, trat ins Freie und sog die kühle Luft in meine Lungen.
Keuchend lehnte ich mich gegen die Hauswand und blickte in den schwarzen Himmel.
Genau in diesem Moment fasste ich einen Entschluss!
Mit einem Ruck öffnete ich die Tür des SUV, der direkt vor dem Eingang der Bar parkte, schloss mit wenigen Handgriffen die Elektronik kurz und startete den Wagen. Mit quietschenden Reifen raste ich durch die Stadt. Mein Weg führte mich raus aus New York City, quer durch Pennsylvania und Ohio, bis ich nach zehn Stunden das Städtchen Wyoming passierte und mich dem abgelegenem, riesigen Waldstück näherte, in dem im Verborgenen Damians Festung stand. Während sich der Winter in New York erst zaghaft ankündigte, war die Landschaft in Michigan schon zentimeterhoch schneebedeckt.
Das Auto ließ ich am Waldrand stehen. Erstens standen die Bäume hier so dicht, dass ich zu Fuß einfach schneller war und zweitens hatte ich sowieso nicht vor, wieder zurück zu fahren.
Ich wollte Tamara wenigstens noch ein letztes Mal in die Augen blicken, dann würde ich mich meinem Schicksal ergeben.
Schon als ich die ersten Meter in das Unterholz drang, stieg mir der Geruch der fremden Vampire in die Nase. In der dicken Schneeschicht stieß ich auf relativ frische Fußspuren.
Eilig huschte ich zwischen den Bäumen hindurch und war erstaunt, wie tief sich das Gebäude im Wald befand. Damian wollte um keinen Preis leicht entdeckt werden. So viel stand fest.
Ich erreichte einen kleinen Fluss, der mitten durch den Wald führte, über den ich aber problemlos springen konnte und landete am vereisten Ufer. Ich rannte weiter und je näher ich meinem Ziel kam, desto schneller schlug mein Herz.
Nach etwa einem Kilometer fand ich mich am Rande einer Lichtung wieder. Ich blieb stehen, lehnte mich gegen einen Baumstamm und betrachtete das Bauwerk in seiner ganzen Pracht.
Es erinnerte mich an ein Schloss, keins mit Türmen oder anderen Spielereien, sondern eher barock, geradlinig aber doch herrschaftlich. Durch die weiße Farbe, in denen die Außenmauern gestrichen waren, fügte es sich perfekt in die umliegende Winterlandschaft ein. Doch mit den Stahltüren und den Panzerglasfenster hatte es aber eher doch etwas, von einer modernen Festung.
Meine Hände begannen zu zittern und mein Herz flatterte, wie ein, in ein Marmeladenglas eingesperrter Schmetterling. Trotzdem atmete ich tief ein und stieß mich von dem Baumstamm ab.
Langsam stapfte ich durch den Schnee und näherte mich dem gepanzerten Eingangstor.
Kaum war ich dort angekommen und stehen geblieben, hörte ich, wie die Tür von Innen entriegelt wurde. Als hätte man mich bereits erwartet.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, denn ich wusste nicht, was mich nun erwarten würde. Plötzlich bekam ich Angst, dass ich es gar nicht bis zu Tamara schaffen könnte und sie mich schon hier draußen töten würden.
Doch die Tür schwang fast geräuschlos auf und ich blickte in Randalls Gesicht, der mich mit einem spöttischen Grinsen musterte.
"Na Julian, bist du gekommen um die gerechte Strafe für deinen Verrat zu verbüßen, oder willst du um Gnade winseln?!"
"Weder noch!", erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich konnte beobachten, wie Randalls Augenbrauen nach oben schnellten und er aufhorchte. "Ich will zu ihr!", forderte ich mit eisigem Unterton und kämpfte mit meiner zitternden Stimme.
Einen kurzen Augeblick lang betrachtete der Hüne mich schweigend, dann warf er seinen Kopf in den Nacken und begann
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