Zeit der Hingabe
Allerdings erwies Miranda sich als willensstarke, feurige Frau, die ihn bereits fasziniert hatte, als sie damals im Hyde Park in seinen Wagen gestiegen war. Zuvor war sie für ihn nur ein Werkzeug gewesen, das ihn an sein Ziel bringen sollte. Er hatte genau geplant, sein böses Spiel mit ihr zu treiben, sie anschließend fallen zu lassen, weggesperrt in Pawlfrey House, und keinen weiteren Gedanken mehr an sie zu verschwenden.
Er hatte sie unterschätzt. Sie zog ihn in ihren Bann in einer Weise, die ihm unverständlich war. Sie machte ihn wütend, brachte ihn zum Lachen, feuerte seine Wollust an.
Und sie schwächte seine Willenskraft.
Das war die größte Gefahr. Wenn er sie ansah, wurde etwas in ihm weich, während ein anderer Teil von ihm hart wurde. Er hätte längst erkennen müssen, dass sie ein Risiko für ihn darstellte. Sein teuflischer Einfallsreichtum hätte ihm eine andere Lösung eröffnet, um die Rohans wie Würmer im Staub zu zertreten, ohne Miranda zu benutzen. Er hatte seine Pläne schon einmal geändert, nachdem St. John so kläglich versagt hatte. Er hätte es noch einmal tun müssen.
Da war er wieder, dieser lächerliche Wunsch, sie zu schonen, sie zu beschützen. Dabei hatte er es sich zum Lebensziel gesetzt, diese Frau einzusetzen, um den Menschen unsägliches Leid zuzufügen, die sie liebten.
Kein Wunder, dass er es vorzog, bei Wind und Regen im Sattel zu sitzen. Das schlechte Wetter passte hervorragend zu seiner düsteren Stimmung.
Die Gäste des Satanischen Bundes hatten sich bereits in Bromfield Manor eingefunden, einem Herrensitz in der Nähe der Ortschaft Morecambe, und die Festlichkeiten hatten gewiss schon begonnen. Lucien hatte gelegentlich an den Versammlungen teilgenommen, die lächerlichen Schwarzen Messen und Teufelsanbetungen mit sarkastischem Spott bedacht und sich an dem üppigen Bankett sexueller Freuden ergötzt. Er sah keinerlei Grund, sich etwas vorzuwerfen. Kein Gast, ob männlich oder weiblich, wurde gezwungen, sich an den Orgien zu beteiligen. Miranda musste nur entschieden Nein sagen, und niemand würde sie belästigen. Ihr Schicksal lag in ihrer eigenen Hand.
Ihr Eigensinn war zum Verrücktwerden, sie wollte partout nicht klein beigeben. Er aber auch nicht. Letztlich lag die Entscheidung bei ihr.
Er war bereits dunkel, als sie Bromfield Manor erreichten. Miranda verstand es ausgezeichnet, ihre Furcht zu verschleiern, und plapperte unablässig Belanglosigkeiten vor sich hin, während das Paar in die Gästezimmer geführt wurde. Sie stutzte nur kurz, als das Zimmermädchen ihre Reisetasche auspackte und ihr Kleid für den Abend zurechtlegte.
Auf den ersten Blick ein schlichtes fließendes Gewand im altgriechischen Stil aus schwarzer Seide, mit goldenen Verschnürungen und passenden goldenen Riemensandalen, das sich beim zweiten Blick als hauchdünnes Gespinst erwies, das die verführerischen Formen seiner zukünftigen Gemahlin den lüsternen Blicken der Gäste preisgeben würde.
Lucien hatte Bromley überdies dazu angeregt, eine feierliche Trauung im Stil einer Schwarzen Messe zu arrangieren, was der lüsterne Bock mit Begeisterung versprochen hatte. Das Zeremoniell sah weiterhin vor, dass die Braut den Paarungsakt mit jedem Mann vollzog, den sie sich erwählte, um ihr Gelöbnis einer nicht monogamen Vermählung sowie ihre Zustimmung zu jeglicher Ausschweifung seitens ihres Gemahls zu besiegeln. Es stand nur zu hoffen, dass Miranda sich auf dieses absurde Theater einließ, den letzten Akt in diesem Drama, um die Rohans endgültig zu demütigen. Dagegen war ihr Fehltritt mit dem Mitgiftjäger St. John eine verzeihliche, lässliche Sünde gewesen.
„Erwartest du etwa, dass ich das trage?“, fragte Miranda, hielt das dünne Gespinst mit zwei Fingern hoch und ließ es fallen. Ihre Stimme war lediglich einen Ton höher als gewöhnlich, sonst zeigte sie keinerlei Regung. „In dem dünnen Ding hole ich mir den Tod.“
„Das Haus ist gut beheizt“, erwiderte Lucien gelassen, ohne sich aus seinem Sessel vor dem Kamin zu erheben. „Außerdem trägst du zu Beginn einen Dominomantel, der dich wärmt.“
Sie bedachte ihn mit einem giftigen Blick. „Wie reizend.“ Endlich sickerte Sarkasmus durch ihre aufgesetzte Fröhlichkeit. „So entzückend ich es finde, etwas völlig Neues zu erleben, aber sagtest du nicht, es gibt eine Hochzeitsfeier im Kreise deiner Freunde? Ich sehe allerdings kein Brautkleid oder irgendetwas anderes Passendes.“
Ungerührt trank er einen
Weitere Kostenlose Bücher