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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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betrachtete ihn nachdenklich. Wie viele Menschen waren wohl mit dieser Waffe getötet worden? Würde sie es über sich bringen, ihn zu erstechen?
    Ja. Wenn er sie seinen lüsternen Freunden überließ und anschließend mit ihr das Bett teilen wollte, dann ja, dann würde sie ihm den Dolch in den Rücken jagen und verschwinden. Sie würde es tun.
    Sie saß reglos, während ihr Badezuber gebracht und mit heißem Wasser gefüllt wurde. Das ihr zugewiesene Mädchen, vermutlich mit dem sündigen Treiben von Lord Bromleys Gästen vertraut, verhielt sich zurückhaltend, wusch ihr schweigend den Rücken, hüllte sie in ein Badetuch und half ihr beim Ankleiden wie einer jungfräulichen Vestalin, die zum Opferaltar geführt werden sollte. Sie kämmte Miranda das Haar und steckte es mit geschickten Händen zu einer pseudoklassischen Frisur hoch. Nachdem sie ihr die goldenen Riemensandalen geschnürt hatte, richtete sie sich auf und trat bescheiden einen Schritt zurück.
    „Haben Sie noch einen Wunsch, Mylady? Manche Damen wollen den Abend mit einer Stärkung beginnen.“
    Miranda holte sich aus ihren trüben Gedanken. „Stärkung?“
    „Wir sind angewiesen, den Damen Laudanum anzubieten, oder Brandy zur Beruhigung der Nerven, oder auch ein Glas von dem Punsch, der sehr animierend auf die Gäste wirkt.“ Das Mädchen leierte die Liste der betäubenden Getränke mit ausdrucksloser Miene herunter.
    Miranda spielte mit dem Gedanken, das Angebot anzunehmen, verwarf ihn aber wieder. Sie wollte das, was sie erwartete, mit klarem Kopf durchstehen. „Nein danke, ich fühle mich wohl.“
    Das Mädchen setzte zum Sprechen an, ließ es dann aber sein. Miranda ahnte den Grund. Vermutlich sah sie nicht aus, als fühle sie sich wohl, sondern genauso verzweifelt und verzagt, wie sie sich fühlte.
    „Sagen Sie Seiner Lordschaft, ich bin bereit.“
    Sie wartete, bis das Mädchen gegangen war, bevor sie an den hohen Spiegel trat, um sich die Frage zu beantworten, wie sie als Hure wohl aussah.
    Sie erschrak zutiefst. Sie könnte genauso gut nackt vor dem Spiegel stehen. Ihre runden Brüste drängten sich gegen das durchsichtige Gespinst, die Brustwarzen zeichneten sich deutlich darunter ab, auch die Rundungen ihrer Hüften, das dunkle Dreieck ihrer Scham, ihre langen Beine. Die transparente Seide verschleierte nichts, gab ihre Nacktheit den gierigen Blicken lüsterner Männer preis.
    Ihr Gesicht schimmerte totenbleich, ihre Lippen waren blutleer, ihre Augen dunkle Höhlen. Das Mädchen hatte ihr keine Schminke angeboten. Miranda straffte die Schultern, biss ich auf die Lippen und kniff sich in die Wangen, um sie zu durchbluten. Dann lächelte sie ihr Spiegelbild tapfer an. Ein grinsendes Gespenst, dachte sie bitter.
    Lucien würde es nicht einmal bemerken.
    Als die Tür geöffnet wurde, drehte sie sich bedächtig um. Das Zimmer war hell erleuchtet, und er konnte sie deutlich sehen. Einen Moment verharrte er reglos und starrte sie an. Sie wollte weinen, schreien, ihn anflehen, dieser Qual ein Ende zu bereiten.
    Dann trat er näher, völlig gelassen und weltmännisch. „Du siehst fabelhaft aus, meine Liebe. Eine wunderschöne errötende Braut. Es sei denn, du hast deine Meinung geändert?“
    Wieso stellte er ihr diese Frage? Er hatte sie doch hierher gebracht, ihr diese grauenhafte Rolle aufgezwungen. Miranda lächelte, ihre Wangenmuskeln verkrampften sich. „Ich tue alles, worum du mich bittest, Liebster. Wenn dies dein Wunsch ist, so ist es auch mein Wunsch.“
    Er sah sie sehr lange an. „So soll es sein“, sagte er gepresst, legte ihr den Dominomantel um die Schultern und band die Schleife. Seine Finger streiften beinahe zärtlich ihren Hals. Sie reckte das Kinn, um nicht in Versuchung zu geraten, ihre Wange an seine Hand zu schmiegen.
    Stattdessen hob sie die Hand und legte sie sanft an sein narbiges Gesicht. Tränen stiegen ihr in die Kehle. Hätte er sich nicht abgewandt, wäre sie wahrscheinlich zusammengebrochen. Aber er hielt ihr die Tür auf und reichte ihr den Arm. „Wollen wir uns unter die Gäste mischen, Liebste?“
    Sie legte die Hand in seine Armbeuge, und er führte sie durch ein Gewirr dämmriger Flure. „Kennst du dich in diesem Haus aus?“, fragte sie im Plauderton.
    „Bromley hält diese Versammlungen alle paar Monate ab. Wenn ich nichts Besseres vorhabe, nehme ich daran teil.“
    „Findest du Gefallen an verworfener Dekadenz?“
    Er lächelte eiskalt. „Hast du das noch nicht bemerkt?“
    Sie resignierte. Sie

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