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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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kümmert sich um ihn. Es sei denn, sie verspüren den Wunsch, ihm eine weitere Lektion zu erteilen. Ein gezielter Tritt in die Nieren wäre vielleicht angebracht.“
    Konnte er ihre Gedanken lesen? „Ich denke, er hat genug gelitten“, erklärte sie kühl.
    „Ich würde Ihnen gern meinen Arm bieten, fürchte jedoch, mein hinkender Gang lässt es nicht zu“, murmelte er. „Am Ende der Terrasse wartet ein Diener mit einem Kerzenleuchter, der Sie in mein Arbeitszimmer begleitet, während ich mich darum kümmere, dass dieser Unrat beseitigt wird.“
    Miranda war den ganzen Abend schon von Zweifeln und Unschlüssigkeit geplagt. Klüger wäre es, das Richtige und Langweilige zu tun, sich in den Musiksaal zu begeben, Signor Tebaldis Sangeskunst zu lauschen und anschließend mit einer Mietdroschke nach Hause zu fahren.
    Leider hatte sie nicht viel für Tenöre übrig.
    Lucien de Malheur beugte sich über den Gequälten und strich ihm mit dem Stockende beinahe zärtlich über das bleiche schweißnasse Gesicht. „Gut gemacht, Gregory. Du hast dich wacker gehalten. Erstaunlich, wie tatkräftig die Kleine ihre Ehre zu verteidigen weiß. Wärst du allerdings mir in die Finger geraten, wärst du nicht so glimpflich davon gekommen. Aber ich hielt es für ratsam, nicht als ihr galanter Retter aufzutreten. Noch nicht.“
    Gregory sagte nichts, stieß nur zischende Laute zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Sei unbesorgt. Ich kümmere mich um die Dame“, fuhr Lucien fort. „Und ich weiß, dass du klug genug bist, kein Wort über diesen Vorfall zu verlieren, um nicht zu riskieren, dass du nie wieder sprechen kannst“, murmelte er beschwörend.
    „Das Luder … muss bestraft werden …“, zischte Gregory. „Gezüchtigt.“
    „Sie wird bestraft, Gregory. Ich werde ihren Willen brechen, das kannst du mir glauben. Allerdings habe ich wirksamere Methoden als brutale Gewalt, um sie mir gefügig zu machen. Nun scher dich nach Hause und kühle deine Blessuren mit einem Eisbeutel. In einer Woche sind deine edlen Körperteile wieder einsatzbereit.“
    Als er seiner Besucherin folgte, hörte er den verspäteten Wutschrei seines Sündenbocks und lächelte.

4. Kapitel
    D ie Tür öffnete sich zu einem behaglichen, in warmes Kerzenlicht getauchten Raum. Vor dem Kamin war ein Tisch festlich für zwei Personen gedeckt. Nach Signor Tebaldis berühmtem Fortissimo herrschte hier wohltuende Stille, und Miranda atmete erleichtert auf.
    Sie war froh, den neugierigen Blicken entronnen zu sein, die ihr auf dem Weg zur Terrasse gefolgt waren. Im Grunde hatte sie erwartet, ein von der Gesellschaft Geächteter pflege keinen Umgang mit klatschsüchtigen Lästermäulern, aber offenbar war Sensationslust auch in der Halbwelt weit verbreitet.
    Sie hätte nicht herkommen dürfen und nahm sich vor, ihrem Gastgeber zu sagen, dass sie zu gehen wünsche. Er würde sie in seiner Karosse nach Hause bringen lassen oder einen Diener anweisen, eine Mietdroschke zu rufen.
    Sie hörte sein Eintreffen, das rhythmische Klopfen des Stockes auf dem Parkett, begleitet von einem leichten Nachziehen des verletzten Beins. Eigentlich sollte sie ein Gefühl der Beklommenheit verspüren, wenn sie an die Schauergeschichten dachte, die über diesen Mann im Umlauf waren. Doch nichts dergleichen. Der kurze Blick in sein Gesicht auf der Terrasse hatte ihr als Warnung genügt. Sie würde ihm gegenüber an der festlich gedeckten Tafel sitzen und ihm gleichmütig in sein entstelltes Gesicht sehen.
    Denn hinter seinen Narben erkannte sie etwas von seiner einstigen Schönheit. Und sie hätte gerne gewusst, wer ihm diese grausamen Wunden zugefügt hatte.
    Er durchquerte das Zimmer, nahm ihr gegenüber Platz, und sie begegnete gelassen seinem Blick.
    „Normalerweise halten Damen ihren Blick auf mich in Schulterhöhe gerichtet, Lady Miranda. Sollte das Grauen etwa eine widernatürliche Faszination auf Sie ausüben?“
    Sie musste unwillkürlich lachen, und er wirkte verdutzt. „Welches Grauen, Mylord? Eigentlich habe ich ein Schreckgespenst aus einem Schauerroman erwartet.“
    „Habe ich Sie enttäuscht?“, fragte er. „Sie versetzen mich immer mehr in Erstaunen. Wie hätten Sie denn auf mich reagiert, wenn ich Ihnen in Gestalt des Glöckners von Notre Dame erschienen wäre?“
    „Vermutlich hätte ich Mitgefühl empfunden und Ihnen Verständnis entgegengebracht. Sie aber haben lediglich ein paar Narben im Gesicht und ein verletztes Bein. Kaum Stoff für bedrückende

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