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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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hochgewachsen und sehnig. Sein verwegenes Gesicht, umrahmt von einer goldenen Lockenmähne, fanden Hausmädchen, Huren und Herzoginnen gleichermaßen unwiderstehlich. Die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein – der missgestaltete Aristokrat und der schöne König der Londoner Unterwelt, die ausgezeichnete Geschäftsbeziehungen miteinander pflegten.
    Donnelly lehnte sich bequem zurück und nahm einen Schluck. „Man munkelt so allerlei auf der Straße.“ Seine Sprache war ein seltsames Gemisch aus irisch gefärbtem Dialekt und aristokratischer Redeweise, die er sich zugelegt hatte. Der Mann war der geborene Mime, hatte sich alleine durchs Leben geschlagen, seit er als Achtjähriger einem reichen Pflanzer entlaufen war, der ihn als Sklave gehalten und misshandelt hatte. Lucien machte sich keine Illusionen darüber, welche Verbrechen der Junge verübt hatte, um zu überleben.
    „Ich nehme an, du hörst so allerlei auf der Straße“, sagte Lucien und trat näher ans Feuer. Die Nacht war kalt, und sein lahmes Bein begann zu schmerzen. „Gibt es etwas, das mich interessieren könnte?“
    „Schon möglich. Anscheinend wird der Duke of Carrimore mit seiner hübschen jungen Gattin in der Stadt erwartet nebst allen Juwelen, die sie so gerne zur Schau stellt. Ich finde, man sollte sie von einigen Stücken erleichtern. Diese Klunker lenken nur von ihrer natürlichen Schönheit ab.“
    Lucien lachte. „Keine schlechte Idee. Der alte Mann ist vernarrt in sie und kauft ihr umgehend neuen Schmuck. Eugenia ist schnell gelangweilt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, und hat sich vermutlich bereits an ihren Juwelen sattgesehen. Bist du an der gesamten Kollektion interessiert oder nur an bestimmten Stücken?“
    „Na ja, ich finde, wir nehmen den gesamten Schmuck“, meinte Jacob leichthin. „Wieso sollten wir halbe Sachen machen?“
    „Du hast recht. Üblicherweise geben die Carrimores zum Auftakt ihrer Saison einen großen Ball. Wen hast du denn in der Rolle meines Dieners an diesem Abend vorgesehen? Billy Banks ist zwar dein bester Geldschrankknacker und spielt seine Rolle als hochnäsiger Diener ausgezeichnet. Aber ich finde, wir haben ihn schon zu häufig eingesetzt. Hast du nicht einen anderen, der sich dafür eignet?“
    „Ich dachte, diesmal übernehme ich den Part.“
    Damit versetzte er Lucien in Erstaunen. „Du selbst? Hältst du das für klug? Ein General mischt sich nicht ins Kampfgetümmel. Er erteilt Befehle. Du hast doch gewiss eine Armee fähiger Diebe zur Verfügung, von denen sich einer als Diener eignet, der sich heimlich in die oberen Gemächer schleicht, um Lady Carrimore von ihren überflüssigen Diamanten zu erleichtern.“
    „Selbstverständlich. Vielleicht will ich nur prüfen, ob ich noch dazu tauge. Wenn man aus der Übung kommt, rostet man bekanntlich ein. Ich will mich vergewissern, ob ich auch allein zurechtkomme, falls meine Organisation einmal den Bach runtergeht. Immerhin lauern meine Feinde nur darauf, mich um meine Pfründe in London zu bringen. Es kann also nicht schaden, wenn ich beweise, dass ich allein einen dicken Fisch an Land ziehen kann. Aber wer weiß, vielleicht begebe ich mich auch demnächst in den Ruhestand. Gelegentlich befällt mich so etwas wie Fernweh, und ich möchte auf Reisen gehen.“
    „Rede keinen Unsinn. Du bist gerade mal Anfang dreißig und gehörst noch lange nicht zum alten Eisen. Ich halte das Risiko für zu groß. Wenn du im Gefängnis sitzt, verlierst du dein gesamtes Imperium, und mir entgeht ein stattlicher Anteil deiner Raubzüge. Nicht dass ich darauf angewiesen wäre, aber ich liebe den Reiz des Verbotenen, wie du weißt.“
    „Ja, das ist mir klar. Wir haben gemeinsam so manches Schurkenstück gemeistert, seit wir uns kennen, und wir lieben beide die Herausforderung. Ehrlich gestanden geht es mir nicht so sehr um den Wert der Diamanten – die Carrimore übrigens Tag und Nacht streng bewachen lässt, wie ich hörte.“
    „Ein Hindernis, das du mühelos zu beseitigen weißt, alter Freund. Aber warum das Risiko eingehen?“ Lucien überlegte kurz, und dann lachte er. „Was für eine absurde Frage. Du liebst die Gefahr genau wie ich.“ Er lachte wieder. „Für einen Diener bist du allerdings zu groß.“
    „Ich kann gebeugt gehen.“
    Lucien nahm auf dem zweiten Sessel vor dem Kamin Platz und streckte sein verletztes Bein vorsichtig von sich. „Keiner meiner Diener hat deine stattliche Größe. Und ich dulde nicht, dass ein

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