Zeit der Hingabe
schätzen, einen Geschäftspartner zu haben, der Rachepläne und Geschäft meisterlich zu vereinbaren weiß. Nun geh endlich, ich will zu Bett.“
„Es ist erst vier. Die Nacht ist noch jung“, scherzte Donnelly, begab sich aber zu einer der hohen Glastüren, die in den Garten führten, um keinem Dienstboten zu begegnen. „Lass dich von dem Mädchen nicht zu sehr ermüden.“
„Ganz im Gegenteil. Sobald sie mir gehört, werde ich sie von hier wegbringen, um zu vermeiden, dass ihre Familie unsere Flitterwochen stört. Du kannst also während einiger Monate nur mit meinen sporadischen Besuchen in London rechnen. Du wirst unsere Geschäfte in meiner Abwesenheit hoffentlich alleine führen können, wie?“
„Verlass dich drauf, Boss“, antwortete Jacob im breitesten Cockney. „Pass bloß auf, vielleicht florieren die Geschäfte ohne dich so prächtig, dass ich auf dich verzichten kann.“
Lucien sah ihn lange an mit einem Blick, der seinen Dienern und Bekannten das Fürchten gelehrt hätte, dem Jacob Donnelly völlig gelassen begegnete. „So leicht lasse ich mir die Zügel nicht aus der Hand nehmen.“
Donnelly zuckte gleichmütig mit den Schultern. „Dann wünsche ich dir viel Glück. Vielleicht schenke ich deiner errötenden Braut ein paar Diamanten zur Hochzeit.“
„Wenn meine Gemahlin sich Diamanten wünscht, kümmere ich mich darum.“
„Gut, dann denke ich mir etwas anderes aus.“
Im nächsten Moment war er im Dunkel der Nacht verschwunden, wieselflink wie schon als kleiner Junge. Die beiden Männer verband eine dunkle Geschäftsbeziehung und eine ungewöhnliche Freundschaft.
Sie kannten einander seit vielen Jahren. Der junge Jacob hatte sich als blinder Passagier auf einem Schiff versteckt, das ihn in die Tropen brachte, hatte bei einem reichen Pflanzer Sklavenarbeit verrichtet, dem er alsbald entlaufen war, und hatte schließlich in dem halb verfallenen Herrenhaus der Plantage La Briere im Besitz der de Malheurs Zuflucht gefunden. Lucien hatte allein in der Ruine gelebt, als einziger Überlebender einer Choleraepidemie. Die beiden Halbwüchsigen hatten sich zusammengetan, fest entschlossen, zu überleben und dem Grauen zu entrinnen.
Und es war ihnen gelungen. Jacob hatte es wieder nach London verschlagen, wo er sich innerhalb eines Jahrzehnts zum Boss einer Diebesbande hochgearbeitet hatte und nahezu den gesamten Schmuggel vom Festland kontrollierte. Mittlerweile hatte er es nicht mehr nötig, sich die Hände schmutzig zu machen und herrschte über ein Heer von Gesetzesbrechern, die ihm treu ergeben waren.
Lucien hatte sich in Italien niedergelassen, wo er ein Vermögen am Spieltisch machte und es auf die gleiche Weise verdoppelte. Als er zum ersten Mal in London auftauchte, hatte er größere Reichtümer angehäuft, als seine Familie je besessen hatte, dank seines beispiellosen Geschicks im Umgang mit Spielkarten und seiner Kaltblütigkeit, wenn nötig zu betrügen. Die Partnerschaft mit seinem alten Freund Jacob trug ihm zusätzliche Gewinne ein.
Er hatte Lady Miranda natürlich belogen. Er studierte seine Feinde sehr genau, und sie war durch ihre Familie seine Feindin. Ihr seine Freundschaft anzutragen, würde sie tiefer berühren als irgendetwas anderes, das wusste er genau.
Allerdings stand ihm der Sinn nicht danach, Freundschaften zu schließen. Wenn er einen Freund brauchte, genügte ihm Jacob.
Wenn jemand allerdings Miranda Rohans schönen weißen Hals mit Diamanten schmücken sollte, dann war es der Skorpion.
Und damit würde er ihre Familie in den Wahnsinn treiben.
5. Kapitel
M iranda blickte verwundert auf den von zierlicher Damenhand an sie adressierten Briefumschlag, den der Butler ihr auf einem Silbertablett gereicht hatte. Jane, auf dem Teppich in einem Gewirr bunter Seidenbänder kauernd, schaute interessiert auf.
Der überraschende Besuch ihrer Freundin vor wenigen Tagen hatte Mirandas trübe Stimmung nach ihrem Vorgeschmack einer sich anbahnenden Freundschaft ein wenig aufgehellt. Jane, mit Mr George Bothwell, einem wohlhabenden Gentleman, verlobt, nutzte die Gelegenheit zu einem Besuch in der Stadt, um Einkäufe zu erledigen. Ihre Stimmung beinahe ebenso düster wie die von Miranda.
„Das ist eine Einladung“, bestätigte Jane das Naheliegende. „Ich dachte schon, du erhältst nie wieder eine. Vielleicht hast du lange genug Buße getan und wirst wieder in die Gesellschaft aufgenommen.“
„Das bezweifle ich“, antwortete sie zerstreut. Sie scheute sich,
Weitere Kostenlose Bücher