Zeit der Hingabe
sein.“
Das ist sie bereits, dachte Miranda und behielt ihr einfältiges Lächeln bei. Wenn das so weiterging, würden ihre Wangen bald schmerzen, und sie würde vorzeitig Falten um die Augen bekommen. Geh weg, dachte sie, gönne mir wenigstens ein paar stille Minuten vor dem Kamin!
Und er tat ihr den Gefallen.
Meine sorgsam zurechtgelegten Pläne sind plötzlich durcheinandergeraten, überlegte Lucien missmutig, während er hinkend den langen Weg zu seinem Arbeitszimmer zurücklegte. Seine Beute über die Schwelle zu tragen, hatte ihn mörderisch angestrengt, und nun musste er mit heftigen Schmerzen im Bein dafür büßen. Unter normalen Bedingungen kam er mit dem schlecht verheilten Bruch gut zurecht, aber der lange Ritt und das nasskalte Wetter forderten ihren Tribut. Gottlob war Miranda zu betrunken, um etwas davon zu bemerken.
Sie hatte sich völlig lächerlich benommen, beim Anblick dieses trostlosen Kastens in Jubel auszubrechen. Und sie konnte Elsie Humber nicht leiden, das war klar. Die beiden Frauen würden einander in die Haare geraten, sobald er abgereist wäre. Zu schade, dass er das nicht miterleben durfte.
Sie freute sich also auf die Hochzeit, wie? Daran hatte er seine Zweifel. Und mit Sicherheit freute sie sich nicht auf die Hochzeitsnacht. In seinen Armen war sie verängstigt gewesen wie ein junges Kätzchen. Dieser Idiot St. John musste sich besonders tölpelhaft angestellt haben.
Er hatte tränenreiches Flehen erwartet, sie zu verschonen. Stattdessen hatte sie es sich vor dem Kamin bequem gemacht, zu allem Überfluss auch noch die Schuhe ausgezogen und ein heißes Bad und Tee verlangt statt ihre Freiheit.
Er schüttelte den Kopf. Sie spielte ihm etwas vor, und er kannte ihre Spielregeln noch nicht. Aber er war ein geübter Spieler und wusste sich anzupassen. Sie freute sich also darauf, verheiratet zu sein?
Vielleicht war Heirat keine wirklich gute Idee. Sie hatte bereits Schande über sich gebracht, ihr Ruf war ruiniert. Er konnte sie als seine Mätresse halten, und die Rohans hätten nichts gegen ihn in der Hand. Niemand würde den Weg zu diesem abgelegenen alten Haus finden.
Und wenn er sie nicht heiratete, könnte er sie schon heute Nacht nehmen, ohne die Farce einer kirchlichen Trauung abwarten zu müssen.
Sie behauptete, in freudiger Erwartung auf die Heirat zu sein. Vielleicht wäre er gezwungen, sie zu enttäuschen.
Mal sehen, wie viel Wein sie brauchte, um dieses selige Lächeln beizubehalten.
Miss Jane Pagett sitzt bequem in der Postkutsche mit Long Molly an ihrer Seite, dachte Jacob, kletterte auf den Kutschbock und nahm die Zügel auf. Molly war eine gute alte Haut. Sie hatte sich aus der Gosse hochgearbeitet und es zu einem eigenen exklusiven Bordell gebracht, in dem sie ein eisernes Regiment führte. Außerdem hatte sie seit jeher einen Hang zur Bühne und würde die Rolle der fürsorglichen Betreuerin hervorragend spielen.
Und sie hatte einen ausgeprägten Mutterinstinkt, kümmerte sich um ihre Mädchen, achtete peinlich darauf, dass sie sich sauber hielten, und setzte jeden Freier unerbittlich vor die Tür, der sich nicht an die Hausordnung hielt oder es wagte, einem ihrer Lämmchen wehzutun. Sie war genau die Richtige, um auf Miss Jane Pagett aufzupassen. Eigentlich hätte er Luciens Anweisungen befolgen und einen seiner Männer beauftragen müssen, Miss Jane wohlbehalten in den Schoß ihrer Familie zurückzubringen. Aber er hatte nicht widerstehen können, sie wiederzusehen. Er wollte wissen, ob ihre vollen Lippen bei Tageslicht ebenso verlockend waren wie im dunklen Gemach der Duchess. Lucien würde ihm Vorhaltungen machen.
Sei’s drum. Ihr Kirschmund war so verführerisch, wie er es sich vorgestellt hatte. Sie sah entzückend aus. Trotz roter Nase und verquollener Augen war sie das hübscheste Ding, das ihm seit Langem begegnet war. Dabei konnte er sich nicht wirklich erklären, wieso sie ihm den Kopf verdreht hatte. Er hatte keineswegs plötzlich eine Neigung zu höheren Töchtern entwickelt. Er hatte eine Reihe adeliger Damen gehabt, die auch nicht unterhaltsamer waren als eine von Mollys Flittchen. Im Gegenteil, die meisten hatten ihn schon beim ersten Mal gelangweilt.
Sie war auch keine auffallende Schönheit. Er hatte hübschere Mädchen gehabt und hässlichere, schlankere und fülligere. Er hatte längst aufgehört zu zählen, wie viele Frauen es in seinem Leben gegeben hatte. Jedes Mal, wenn er Lust auf eine Frau verspürte, war eine da gewesen, die ihm
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