Zeit der Hoffnung - Key of Knowledge (02 Key)
selber. Aber während ihrer Krankheit, danach … es ging alles so schnell. Ich weiß, dass es Monate gedauert hat, aber mir kam es so schnell vor. Die Ärzte, das Krankenhaus, die Operation, die Chemotherapie. Gott, dabei ging es ihr so schlecht. Ich wusste nicht, was ich für sie tun sollte …«
»Warte. Warte mal. Du hast so viel für sie getan. Du bist bei ihr gewesen, hast ihr vorgelesen. Himmel, Jordan, du hast sie gefüttert, als sie nicht mehr selber essen konnte. Du warst damals ihr Felsen, Jordan. Das habe ich gesehen.«
»Dana, ich war außer mir vor Entsetzen, und ich war wütend und konnte es ihr nicht sagen. Ich verschloss es tief in mir, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte.«
»Du warst gerade mal zwanzig, und deine Welt stürzte ein.«
In der Sekunde, als sie die Worte aussprach, wusste sie auf einmal, dass sie das damals noch nicht verstanden hatte.
»Sie starb vor meinen Augen, und ich konnte nichts dagegen tun. Als wir wussten, dass sie sterben würde - sie hatte solche Schmerzen -, sagte sie zu mir, es täte ihr Leid, dass sie gehen und mich verlassen müsse. Sie sagte, an jedem einzelnen Tag meines Lebens sei sie stolz auf mich und dankbar dafür gewesen, dass es mich gab.
Ich brach zusammen. Und dann war sie tot. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich von ihr verabschiedet habe oder ihr gesagt habe, dass ich sie liebe. Ich weiß nicht mehr, was ich überhaupt gesagt oder getan habe.«
Er drehte um und ging wieder auf die Grabsteine zu. »Sie hatte bereits alle Vorbereitungen getroffen, und ich brauchte nur ihren Anweisungen zu folgen. Einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Gottesdienst, das Kleid, das sie tragen wollte, die Musik, die gespielt werden sollte. Sie hatte eine Versicherung abgeschlossen und das Geld dafür jeden Monat mühsam zusammengekratzt, der Himmel weiß, wie. Damit konnte ich die meisten Schulden bezahlen und hatte ein bisschen Luft.«
»Du warst ihr Kind. Sie wollte für dich sorgen.«
»Das tat sie, auf jede erdenkliche Weise. Ich konnte hier nicht bleiben, Dana. Ich konnte nicht in diesem Haus leben und jedes Mal, wenn ich Luft holte, um sie trauern. Ich konnte in dieser Stadt nicht bleiben, wo ich alle Leute kannte.
Du denkst eventuell, dass die vertraute Umgebung ein Trost ist. Aber für mich war es ein ständiger Schmerz. In der einen Minute hatte ich das Gefühl, ersticken zu müssen, und in der nächsten hätte ich explodieren können. Ich musste weg von hier. Ich musste diesen Schmerz begraben, so wie ich sie begraben hatte.«
»Du hast nie mit mir darüber geredet.«
»Ich konnte nicht. Wenn ich die richtigen Worte gefunden hätte, wäre ich daran erstickt. Ich will damit nicht sagen, dass es richtig war. Das war es sicher nicht. Aber es ist die Wahrheit. Ich musste etwas aus mir machen, und das konnte ich hier nicht. Oder ich glaubte zumindest, ich könnte es nicht. Wo liegt da der Unterschied?«
»Du musstest gehen«, murmelte sie, »sonst wärst du nicht der geworden, der du bist.« Warum hatte sie so lange gebraucht, um das zu verstehen?
»Ich hasste den, der ich hier war, und ich hatte Angst vor dem, der ich werden würde, wenn ich hier bliebe. Ich sah mich Tag für Tag, Jahr für Jahr in der Werkstatt arbeiten. Damit hätte ich alles weggeworfen, wofür sie geschuftet hatte, was sie für mich gewollt hatte. Ich war so voller Wut und Schmerzen, dass mir alles andere egal war.«
Sie standen jetzt wieder am Grab seiner Mutter, und Jordan blickte auf die Blumen. »Ich wusste nicht, dass du mich liebst. Ich weiß nicht, was ich anders gemacht hätte, wenn ich es gewusst hätte, aber ich wusste es eben nicht. Du kamst mir immer so stark, so selbstsicher und gelassen vor, dass ich gar nicht darauf gekommen bin.«
Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, dann ließ er die Hand wieder sinken. »Vielleicht wollte ich es auch nicht sehen. Nach ihrem Tod konnte ich ja niemand anderen lieben. Aber ich habe dich absichtlich verletzt, weil es für mich einfacher war, wenn du gingst. Ich schäme mich dafür, und es tut mir Leid. Du hast etwas Besseres verdient.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es hilft, das alles zu hören, und ich weiß, es ist dir nicht leicht gefallen, es mir zu erzählen.«
»Weine nicht, Dana. Es zerreißt mir das Herz.«
»Es ist schwer, anders darauf zu reagieren.« Sie wischte sich die Tränen fort. »Wir waren jung, Jordan, und wir haben beide Fehler gemacht. Wir können das Gewesene nicht ändern, aber wir
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