Zeit der Hoffnung - Key of Knowledge (02 Key)
hätten sie bestimmt gefallen. Sie hätte großes Aufhebens darum gemacht und sie in ihre gute Vase gestellt, die ihr ihre Mutter vor langer Zeit einmal zu Weihnachten geschenkt hatte.
Er hatte nicht daran gedacht, eine Vase mitzubringen, deshalb legte er die Blumen im Einwickelpapier auf das Grab.
Er hasste den Friedhof. All diese Grabsteine und Kreuze, die wie eine Saat des Todes aufragten. All die Namen und Daten, die einen daran gemahnten, dass niemand seinem Schicksal entging.
Morbide Gedanken, dachte Jordan, aber das lag vermutlich am Ort.
Andere hatten ebenfalls Blumen auf die Gräber gestellt, und einige waren verwelkt. Manche hatten dieses Problem gelöst, indem sie künstliche Blumen auf die Grabplatten legten, aber die leuchtenden Farben kamen ihm falsch vor.
Mehr Lügen als ein Tribut an die Toten, dachte er.
Es war zu windig hier am nördlichen Ende des Friedhofs und zu kalt ohne den Schutz der kleinen Baumgruppe im Osten oder den sonnenbeschienenen Hügel im Westen.
Vor ein paar Jahren hatte er das Grab mit einer glatten weißen Granitplatte abdecken lassen. Seine Mutter hätte das bestimmt viel zu kostspielig gefunden, aber er hatte das Bedürfnis gehabt, etwas zu tun.
Auf der Platte stand ihr Name. Susan Lee Hawke . Und ihr Geburts- und Sterbedatum. Dazwischen lagen kurze sechsundvierzig Jahre. Darunter stand eine Zeile aus einem Gedicht von Emily Dickinson.
Hoffnung nistet in der Seele
Sie hatte die Hoffnung nie verloren. Ihr Leben lang hatte sie an die Macht der Hoffnung und des Vertrauens geglaubt. Sie hatte sogar noch gehofft, als ihr die Krankheit die Schönheit genommen hatte.
Seinetwegen hatte sie die Hoffnung nie verloren, dachte Jordan. Sie hatte an ihn geglaubt und ihn rückhaltlos geliebt.
Er hockte sich hin, um die Blumen auf das Grab zu legen.
»Du fehlst mir, Mom. Es fehlt mir, mit dir zu reden und dich lachen zu hören. Es fehlt mir, diesen Ausdruck in deinen Augen zu sehen, wenn ich Mist gebaut habe. Aber du warst immer für mich da, wenn ich in Schwierigkeiten steckte.«
Er starrte auf die Worte im Stein. Sie sahen so förmlich aus. Sie war ihr Leben lang Sue gewesen, ganz einfach Sue.
»Ich weiß, dass du nicht hier drin bist. Das Grab ist ja nur ein Symbol dafür, dass du gelebt hast, dass du geliebt wurdest. Manchmal spüre ich dich, und das Gefühl ist so stark, als ob ich mich umdrehen und dich sehen könnte. Du hast an so etwas stets geglaubt.«
Er stand auf und steckte die Hände in die Taschen. »Ich frage mich, wer ich eigentlich bin. Ich habe alles verdorben. Nein, nicht alles, aber das einzig Wichtige. Ich habe das eine, das ich von klein auf wollte, bekommen, und ich habe das eine, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauchte, verloren. Vielleicht ist das ja kosmische Gerechtigkeit. Vielleicht kann man eben nicht alles haben. Aber du würdest mich jetzt wieder mit diesem Blick ansehen.«
Er schaute zu den Hügeln, die sie so geliebt hatte. »Ich weiß nicht, ob ich es wieder in Ordnung bringen kann. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich es überhaupt versuchen sollte.«
Er schloss seine Augen einen Moment lang. »Es tut weh, hier zu stehen. Aber so soll es vermutlich sein.« Er legte seine Finger an die Lippen, danach drückte er sie auf den Stein. »Ich liebe dich. Ich komme wieder.«
Er drehte sich um. Am Ende der Zufahrtsstraße stand Dana und beobachtete ihn.
Er sah so traurig aus, dachte sie. So, als habe der Kummer ihm alle seine Abwehrmechanismen genommen und die Emotionen bloßgelegt. Es tat ihr weh, ihn so verletzlich zu sehen, und sie wussten beide, dass sie ihn in einem ungeschützten intimen Moment überrascht hatte.
Unsicher ging sie über das Gras auf ihn zu.
»Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht … stören«, begann sie. »Deshalb habe ich dort drüben gewartet.«
»Ist schon in Ordnung.«
Sie blickte auf das Grab. »Flynn und ich gehen einmal im Jahr her.« Sie räusperte sich. »Sein Vater, meine Mutter … und deine. Wir versuchen, direkt nach dem ersten Schneefall zu kommen, weil dann alles so friedlich, weiß und sauber ist. Wir bringen ihr immer Blumen mit.«
Sie musterte ihn. »Ich dachte, es tut dir eventuell gut zu wissen, dass wir ihr Blumen bringen.«
Jordan schwieg, aber seine Augen sagten alles. Dann ließ er seine Stirn gegen ihre sinken.
So standen sie schweigend eine Zeit lang da.
»Danke.« Langsam richtete er sich auf, als habe er Angst, etwas in ihm könne zerbrechen. »Danke.«
Sie nickte, und beide
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