Zeit der Jaeger
nach unten, bis die nackten Zehen kalte, harte Fliesen berührten. Sie redeten zwar davon, Patienten so schnell wie möglich wieder auf die Beine bringen zu wollen, aber den Boden machten sie so abweisend wie mög-lich. Der Gedanke verzog seine Mundwinkel zur Andeutung eines Lächelns.
»ObKhan, hören Sie auf. Bitte. Sie verletzen sich noch.«
Sein Lächeln wurde breiter. Sie hatte ihn obKhan genannt. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft. Zum ersten Mal.
Er streckte die verkrampften Finger und winkte ab. Dachte daran, bis zu dem Stuhl drei Schritte entfernt zu gehen, aber plötzlich schien diese Strecke so weit wie der Abgrund zwischen zwei Sonnen, und sein Kearny-Fuchida-Sprungantrieb war noch immer außer Betrieb. Das musste reichen.
»Führe meinen Gast herein«, sagte er leise. Ob es an seinem Tonfall lag oder am Ausdruck in seinen Augen, wusste er nicht, aber sie verließ sofort das Zimmer. Zum ersten Mal an diesem Tag gestattete er sich, seine Schmerzen zu zeigen. Er schloss die Augen, atmete tief durch die Nase und bemühte sich, seinen Körper auszublenden. Zu vergessen, welcher Anblick Sha erwartete, welchen Vorteil er unmittelbar beim Eintreffen bereits hatte.
Petr sah entsetzlich aus. Die letzte Breitseite hatte seine Kanzel durchschlagen. Die Restenergie einer Photonenlanze war in seinen rechten Arm eingeschlagen, hatte Muskeln durchtrennt und die Haut an Arm und Brust, den Hals hinauf und auf dem größten Teil der rechten Schädelseite verbrannt. Seine Haare hatten Feuer gefangen und waren geschmolzen, die Kopfhaut war vernarbt.
Als obKhan konnte er ungeachtet der Kosten befehlen, neue Haut zu züchten, um den zernarbten, entstellten Schädel wiederherstellen zu lassen, als hätte diese Niederlage nie stattgefunden. Aber etwas hinderte ihn. Etwas hatte ihn lange genug aus dem Delirium geholt, um die automatische Regeneration zu untersagen. Er konnte noch immer nicht in Worte fassen, was geschehen war, doch er spürte, dass es wichtig war. Etwas ...
Sha betrat das Zimmer.
Kein Hohnlachen. Kein sarkastisches Grinsen. Keine Zufriedenheit. Nur seine reglos kühle Fassade. Ein Gesicht bar jeder Emotion. Nicht einmal ein Zucken angesichts Petrs Zustands. Und Augen so kalt wie der Weltraum.
Alles wäre besser gewesen. Jede Regung, gleich welcher Art. Aber diese Gleichgültigkeit ... Petr kämpfte gegen seine Wut an. Wenn er jetzt die Kontrolle verlor, konnte ihn das nur noch weiter in die Defensive treiben.
»Du bist auf?«, fragte Sha in unfassbar neutralem Ton. Beinahe unmenschlich neutral.
Übt er das? »Pos.«
Stille. Hitzige Blicke trafen eisige, und eine Stille, laut genug, um Panzerglas zu zerschmettern, dehnte sich über Minuten. Keiner der beiden war bereit, als Erster zu sprechen. Überraschenderweise war es Sha, der das Schweigen mit einem kaum wahrne hm baren Nicken schließlich brach. Petr machte sich keinen Moment vor, einen Sieg errungen zu haben.
Was hatte sich verändert? Sein Gegner musste irgendetwas im Schilde führen.
»Es ist gut, dich zu sehen. Clan Seefuchs braucht solche Krieger. Solche Kommandeure.«
»Hast du nicht gesagt, du würdest solche Kommandeure wie mich hinwegfegen, frapos?« Petr bewegte das Bein und die Hüftmuskulatur, um die Verspannung zu lösen, hielt die Schulter aber so still wie möglich.
Sha, der nur einen Schritt weit ins Zimmer getreten war, schüttelte langsam den Kopf, ohne dass sich sein Blick von Petr löste. »Neg, obKhan, das sind nicht meine Worte, sondern deine - in meinem Mund. Ich weiß, dein Körper ist versehrt, aber wir beide wissen, dass er heilen wird. Ich hoffe nur, dein Verstand hat nicht gelitten. Ich hoffe, er wird ebenfalls genesen.«
Petr lachte bellend. »Meinem Verstand ging es nie besser, Sha. Niemals. Genau das hast du gesagt. Willst du es jetzt abstreiten?«
»Ich war noch nie gezwungen, meine eigenen Worte abzustreiten.«
Schweigen. Feuer und Eis. Wieder dehnten sich die Minuten und langsam ahnte Petrs Shas Strategie. Er will mich erschöpfen. Das Gespräch so lange hinziehen wie möglich. Mich zwingen, Schwäche zu zeigen. Eine ausgezeichnete Strategie. Er horchte tief in sich hinein und ging seinerseits zum Angriff über.
»>Deshalb wirst du letzten Endes scheitern.< Das waren deine Worte, frapos?«
Diese kalten, frostkalten Augen. »Pos.«
»Wie kannst du mir dann vorwerfen, ich würde dir etwas in den Mund legen?«
»Weil du davon ausgegangen bist, dass du an mir scheitern wirst.«
»Und du nicht?«
»Das
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