Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
Vom Netzwerk:
den Schützengräben so viele Male getan hatte.
    Drei Jahre, dachte er. Eine lange Zeit für eine Leiche, die zwischen den Bäumen lag, aber es gab ein paar Knochen, die diesen Zeitraum überdauert haben müssten, wenn er bloß wüsste, wo er danach suchen sollte.
    Er begann damit, sich durch die Dornensträucher und die Ranken vorzuarbeiten, wobei er nach Möglichkeit seine Hände benutzte und den Rechen oder die Mistgabel nur für Bereiche zuhilfe nahm, an die er mit den Händen nicht herankam.
    Die Sturmlaterne setzte er nur sparsam ein, denn als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, konnte er mehr sehen, als er für möglich gehalten hätte.
    So muss sich ein Archäologe vorkommen, dachte er, wenn er ein kleines Planquadrat nach dem nächsten erforscht und mit großer Sorgfalt enthüllt, was sich unter der Oberfläche befindet - oder auch nicht.
    Morsche Stämme und abgebrochene Äste hatten sich in zerbröckeltes Holz verwandelt und vermodertes Laub türmte sich in vielen Schichten übereinander. Der Rechen war an einem Ende tief eingesunken, als ein Schädel ans Licht kam, klein und mit einer spitzen Schnauze. Ein Fuchs, dachte er, der sich dort verkrochen hatte, um ungestört zu sterben. Er begrub ihn wieder und setzte seine Arbeit fort. An einer anderen Stelle hörte er Mäuse wild umherhuschen und stieß ein Nest aus fellgefüttertem
Laub und vier winzige weiße zitternde Körper um. Als er das Nest wieder aufrichtete, glaubte er, hinter sich etwas zu hören, das Klappern von Knochen, als rasselten tote Finger aneinander, doch es waren nur die Äste und die kahlen Zweige, die sich im Wind aneinanderrieben.
    Nach einer guten Stunde legte er eine Verschnaufpause ein. Es war ein aussichtsloses Unterfangen, sagte er sich. Erst recht für einen Einzelnen, der ganz auf sich allein gestellt war … Schließlich war das Wäldchen bereits durchsucht worden.
    »Von Männern, die sich gefürchtet haben«, gab Hamish zurück. »Die hatten keine Lust, den Teufel unter einem Strauch zu finden.«
    Da war etwas dran.
     
    Die Kirchturmuhr hatte zwei geschlagen, und er war müde. Aber inzwischen konnte er sich ein klareres Bild davon machen, wie der Boden unter seinen Füßen beschaffen war. Und dort, wo das Gestrüpp am dichtesten war, brauchte er nicht zu suchen, denn hier hatten die Brombeeren schon vor weit mehr als drei Jahren Wurzeln geschlagen und ihre Stämme steckten tief in dem vermoderten Laub und waren schon so dick wie sein Handgelenk.
    Um drei hatte er einen größeren Teil des Wäldchens abgesucht, als er erwartet hatte, und ein Blick in die Runde ließ ihn glauben, er könnte es geschafft haben, bevor die winterlich späte Dämmerung anbrach.
    Aber um vier hatte er immer noch kein Glück gehabt und der Teil des Wäldchens, den er sich gerade vornahm, musste im Lauf der Jahre Sturmschäden erlitten haben, denn dort gab es mehr umgestürzte Stämme als überall sonst. Er bewegte jeden einzelnen von der Stelle und Käfer und Spinnen flohen vor dem Licht, wenn er den Schein seiner Lampe über die gesamte Länge eines Stammes gleiten und das morsche Holz erst dann wieder auf den Boden sinken ließ. Einige Stämme zerbrachen in
seinen Händen und andere, die von nassem Tau und glitschigem grünen Moos überzogen waren, hinterließen einen unangenehmen Fäulnisgeruch in der Luft und eine schleimige Spur auf seinen Handschuhen.
    Er trug schwere Stiefel, die er sich von Hensley geborgt hatte, ebenso eine der Kordhosen, die im Kleiderschrank hingen, und über seinem Hemd zwei Lagen Pullover. Jetzt schwitzte er vor Anstrengung, und seine Muskeln begannen zu schmerzen. Seinem Knöchel hatte es schon vor einer Stunde gereicht.
    »Ein Federbett wäre jetzt viel schöner als dieses ganze unsinnige Federlesen«, sagte Hamish trocken.
    Rutledge lachte in sich hinein, und in dem Moment traf seine Mistgabel auf etwas, das sich vollkommen anders anfühlte als alles bisher.
    Er ließ die Mistgabel dort stecken und kniete sich hin, um die Erde von den Zinken zu entfernen, indem er sie abwechselnd glättete und sanft zur Seite schob, bis er fand, was er gesucht hatte. Er zog die Lampe näher zu sich.
    Die Mistgabel hatte sich zwischen einem Kieferknochen und einem Schulterblatt in etwas versenkt, das früher einmal ein menschlicher Hals gewesen war.
     
    Rutledge wippte auf den Fersen.
    Hamish sagte: »Das Massaker der Sachsen …«
    Aber der Meinung war Rutledge nicht. Die Knochen waren zu gut erhalten, um aus dem

Weitere Kostenlose Bücher