Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
finstersten Mittelalter zu stammen.
Ob es sich um Emma Mason handelte oder nicht, konnte er nicht beurteilen. Aber es war an der Zeit, Experten heranzuziehen, die das konnten.
Er deckte seinen Fund sorgsam zu, damit er nicht ohne Weiteres sichtbar war und ihm auch nichts zustoßen konnte. Dann stand er auf und schulterte seine Gerätschaften.
Hamish sagte: »Hörst du jetzt auf?«
Das war eine gute Frage.
Ihm blieben noch zwei Stunden bis zum Tagesanbruch und eine bessere Chance würde sich ihm möglicherweise nie mehr bieten.
Seine Muskeln beklagten sich, die nassen Handschuhe halfen nicht gegen seine kalten Hände, und er war müde genug, um im Freien zu schlafen, wie er es während des Krieges mehr als einmal getan hatte.
Trotzdem machte er sich genauso methodisch wie bisher wieder an die Arbeit und grub unermüdlich weiter, doch nach knapp zwei Stunden hatte er immer noch keine zweite grausige Entdeckung gemacht.
Als er sich über die Felder zu seinem Wagen schleppte, konnte er einen schillernden Streifen Licht am Horizont sehen.
Er hatte sich selbst und Hensleys Werkzeuge beim Graben schmutzig gemacht und versuchte, seine Stiefel oberflächlich zu säubern, bevor er sich hinter das Steuer setzte. Der Sitz war kalt und feucht vom Morgentau, als er nach Dudlington zurückfuhr und den Wagen am gewohnten Ort abstellte, und während er die Gartengeräte wieder in dem Schuppen verstaute, in dem er sie gefunden hatte, konnte er seine Erschöpfung deutlich spüren.
Ein heißes Bad half ihm wach zu werden und trug auch zu einer Linderung seiner körperlichen Beschwerden bei.
Sowie er gefrühstückt hatte, fuhr er nach Northampton, um von dort aus zu telefonieren.
Sein Anruf beim Yard wurde zu Chief Inspector Bowles durchgestellt, der ihm eine Predigt über die prompte Aufklärung seiner Fälle hielt.
»Wir haben keine Zeit für geheimnisvolle Streifzüge durch die Vergangenheit, Rutledge. Ob zu Zeiten Alfreds Sachsen gewütet haben, hat nichts damit zu tun, wer auf Constable Hensley geschossen hat.«
»Das ist mir klar, Sir …«
»Nein, eben nicht. Meine eigenen Vorgesetzten wollen wissen, was los ist, und ich kann ihnen nichts berichten. Ich bitte Sie, was hat dieser Schädel mit Hensley zu tun?«
Rutledge holte tief Luft. »Falls es sich um den Schädel eines vermissten Mädchens handelt, gäbe uns das vielleicht einen Hinweis darauf, warum er angegriffen worden ist. Aber um zu beweisen, dass es das Mädchen ist, brauche ich jemanden vom Yard, der Erfahrung mit Skeletten hat. Mainwaring käme infrage. Könnten Sie ihn für ein oder zwei Tage entbehren?«
Mainwaring war einer der erfahrensten Männer beim Yard. Er war als Arzt ausgebildet, doch er hatte sich weitaus mehr für die Toten interessiert als für die Lebenden und sich eingehend dem Studium der Knochen gewidmet. Er konnte sehr schnell erkennen, ob ein Skelett männlich oder weiblich war und welches Alter die jeweilige Person zum Zeitpunkt ihres Ablebens erreicht hatte, und oftmals konnte er auch die Todesursache bestimmen.
Am anderen Ende der Leitung trat Schweigen ein. Dann sagte Bowles: »Sie sind sicher, dass es das vermisste Mädchen sein könnte? Ich will nicht, dass Mainwaring seine Zeit auf diese verdammten Sachsen vergeudet.«
»Drei Tage, Sir. Einen für die Zugfahrt nach Northampton, einen in Dudlington und einen für die Rückfahrt nach London. Ich werde ihn im Red Lion in Northampton erwarten.«
Bowles sträubte sich immer noch. »Glauben Sie, Hensley hätte das verfluchte Mädchen umgebracht? Ist es etwa das, was Sie beweisen wollen?« In seiner Stimme drückte sich ungläubige Entrüstung aus.
»Wenn das Mädchen dort begraben ist, dann hat Hensleys Anwesenheit in dem Wäldchen den Mörder alarmiert. Wenn ich die Leiche gefunden habe, gibt es keinen Grund, weshalb Hensley sie unter den richtigen Voraussetzungen nicht ebenfalls hätte finden können.«
»Ich verstehe. Ja, das leuchtet mir ein. Sie können nicht selbst mit Sicherheit sagen, wem der Schädel gehört?«
»Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass der Fall vor Gericht verhandelt werden wird, Sir. Falls ich mich irren sollte, was die Leiche in Frith’s Wood betrifft, dann müssen wir anderswo nach der Ursache für den Überfall suchen, bevor wir uns vor Gericht bodenlos blamieren.« Es gelang ihm, genau den richtigen einschmeichelnden Tonfall zu treffen, um die Drohung zu verschleiern, die in seinen Worten steckte.
»Frith’s Wood. Einen heidnischeren
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