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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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ihrem Vater geschenkt hat?«
    »Oh ja, daran besteht kein Zweifel. Sie hat sich lebhaft daran erinnert und darüber geredet, als sie ihren Vater schmerzlich vermisst hat, denn sie wünschte, sie hätte etwas - ich weiß auch nicht, vielleicht etwas Schicklicheres? - für ihn gefunden. Eine Uhrkette oder Manschettenknöpfe, sogar einen Schlüsselring. Ich vermute, Mrs. Ellison hat es gehässig ausgekostet, ihr immer wieder vorzuhalten, ein Zahnstocher, sogar ein goldener, sei einer Harkness wohl kaum würdig. Beatrice konnte es jedenfalls nie vergessen, aus welchen Gründen auch immer.« Sie streckte eine Hand aus, um das dünne goldene Stäbchen mit einer Fingerspitze zu berühren. »Es könnte doch nicht zwei identische gegeben haben, oder?«
    »Was ist aus Ellison geworden?«
    »Er ist in London gestorben, von einem Pferd totgetreten, das durchgegangen war. Es war ein plötzlicher und dramatischer Tod - ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater gesagt hat, Mrs. Ellison hätte laut geschrien, als sie es erfahren hat. Das war so untypisch für sie, dass der ganze Ort darüber geredet hat.«
    »Wo ist er begraben?«
    »Sie haben mir gerade gesagt, er sei der Mann im Wald gewesen.«
    »Ja, wahrscheinlich ist er es. Aber wenn er in London ›gestorben‹ ist, dann muss doch eine gerichtliche Untersuchung der Todesursache vorgenommen worden sein. Und es muss eine Beerdigung gegeben haben. Seine Frau hätte anwesend sein müssen.«
    »Mrs. Ellison ist nach London gefahren, um alles zu regeln. Sie hat Beatrice bei der Frau des Pfarrers zurückgelassen, denn was konnte ein so kleines Kind schon verstehen? Er ist dort begraben
worden. Sie hat gesagt, es sei ihr unerträglich, ihn nach Dudlington überführen zu lassen, sie selbst wolle, wenn es an der Zeit sei, an seiner Seite in London beerdigt werden. Mein Vater hat sich auch daran erinnert. Er hat mir viele Jahre später erzählt, er sei schockiert gewesen. Aber so wollte es Mary Ellison nun mal haben.«
    »Und Beatrice hat nie daran gezweifelt, dass ihr Vater in London begraben ist?«
    »Sie kannte sogar den Namen des Friedhofs - Highgate. In der Nähe des Grabes stand ein großer steinerner Löwe, der Nero hieß. Beatrice wollte unbedingt hingehen und ihn sich selbst ansehen. Als sie dann nach London gegangen ist - aber das könnte erklären, warum sie sich mit ihrer Mutter überworfen hat. Das Grab war nicht da!«
    »Wären Sie bereit, das, was Sie mir gerade erzählt haben, unter Eid auszusagen?«
    Daran hatte sie offenbar nicht gedacht. Sie warf einen Blick auf das Fenster, als könnte sie von dort aus, wo sie saß, Mary Ellison sehen. »Muss das sein? Ich kann nicht - glauben Sie wirklich, dass Mary …«
    »Wenn sie allen erzählt hat, ihr Mann sei in London begraben, warum liegt dann im Wäldchen ein Skelett und direkt darunter der Zahnstocher, den Beatrice ihrem Vater geschenkt hat? Glauben Sie im Ernst, Mrs. Ellison hätte den Zahnstocher verschenkt, eine Geste hartherziger Missachtung der Gefühle ihrer Tochter?«
    »Ich weiß es nicht. Aber warum sollte sich Mary eine so komplizierte Geschichte ausdenken - das durchgegangene Pferd, der Löwe auf dem Friedhof. Und wie ist er tatsächlich ums Leben gekommen?«
    »Das lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen.«
    »Ich bin froh, dass Beatrice nicht hier ist. Es hätte ihr das Herz gebrochen.«
    »Ich glaube, Beatrice ist ebenfalls tot. Und Emma auch.«

    Sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an und schlug sich eine Hand vor den Mund. »Nein, bitte, ich will das nicht hören.«
    »Ich kann es noch nicht beweisen«, sagte er, »aber ich muss es versuchen.«
    »Aber wie … Um Gottes willen, ich kann mir nicht vorstellen, dass Mary Ellison mit einem Gewehr oder einem Messer oder einem Bügeleisen auf ihr eigenes Fleisch und Blut losgeht. Sie ist doch nicht - allein schon die Vorstellung macht mich krank.«
    Rutledge zögerte und sagte dann zu ihr: »Oft heißt es, Gift sei die Waffe einer Frau.«

29.
    Grace Letteridge war immer noch außer sich, als er ging. Ein Teil von ihr hatte ihm glauben wollen und ein anderer Teil von ihr weigerte sich, diese Möglichkeit zu akzeptieren. Als er zur Tür hinausging, sagte Rutledge: »Sie dürfen kein Wort darüber verlieren. Jedenfalls nicht, solange ich noch keine Gewissheit habe. Und das könnte eine Weile dauern.«
    »Aber der Constable - wer hat mit Pfeil und Bogen auf ihn geschossen?«
    »Haben Sie Emmas Ausrüstung zum Bogenschießen? Und wenn nicht, wer hat

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