Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
unmöglich sein, das zu beweisen. Aber wenn sie auf Hensley geschossen hatte, hatten die Morde noch kein Ende gefunden.
Die Empfangsdame des Hotels kam an seinen Tisch und sagte leise: »Inspector Rutledge?«
»Ja?«
»Inspector Cain hat Sie gesucht und Ihren Wagen im Hof hinter dem Hotel stehen sehen. Er hat einen dringenden Telefonanruf aus Northampton erhalten. Ich soll Ihnen sagen, dass Constable Hensley im Sterben liegt und dass Sie sofort kommen sollen.«
Mrs. Channing bestand darauf, mit ihm zu fahren. »Wenn Sie in Dudlington anhalten müssen, bevor Sie nach Northampton fahren, könnten Sie zu spät kommen. Es gibt nichts, was ich
tun kann, aber es macht mir nichts aus zu warten, bis Sie wissen, ob es wahr ist oder nicht.«
»Warum sollte es nicht wahr sein?«, fragte er, als er in den Wagen stieg und neben ihr Platz nahm.
»Telefonische Nachrichten können eine List sein. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es direkt südlich von Dudlington einige sehr einsame Straßenabschnitte, die nicht durch Häuser, sondern durch offenes Weideland führen. Ein perfekter Ort für einen Hinterhalt.«
Wenn sich sein Gegenspieler in der offenen Weite von Beachy Head verbergen konnte, dann konnte er sich auch am Straßenrand verstecken, wie er es in Hertford getan hatte, und darauf warten, dass das Automobil vorbeifuhr.
»Nein. Das bringt Sie in Gefahr. Wenn der Schuss mich tötet, werde ich die Kontrolle über das Steuer verlieren. Sie könnten bei dem Unfall sterben.«
»Ich hätte auch sterben können, als ich diese armen Soldaten gepflegt habe, die an der spanischen Grippe erkrankt waren. Oder auf der Überfahrt von Dover nach Calais. Ich hätte eine der Krankenschwestern sein können, die mit der Britannia untergegangen sind. Ich habe keine Angst. Und wenn außer Ihnen noch jemand im Wagen sitzt, könnte ihn das abschrecken. Wer weiß?«
Sie streckte die Hand nach der Wolldecke aus, die er auf dem Rücksitz liegen hatte, und Rutledges Herzschlag setzte aus, da es ihr Schwierigkeiten zu bereiten schien, die Decke an sich zu bringen. Es wirkte fast so, als hätte Hamish sie nicht losgelassen, dachte er. Aber sie sagte nichts, als sie die Decke zwischen die Vordersitze zog und sie über ihren Knien ausbreitete.
Wie er inzwischen nur zu gut wusste, war das kein Beweis dafür, dass sie keinen Geist dort wahrgenommen hatte. Es bedeutete nur, dass sie beschlossen hatte, sich nicht dazu zu äußern.
Sie fuhren schnell und versuchten den Weg in der kürzest möglichen Zeit zurückzulegen, und doch behielt Rutledge die Böschungen im Auge, denn auch dort konnte der Tod lauern.
Hamish auf dem Rücksitz wollte ihm etwas mitteilen, doch Rutledge hatte keine Zeit, auf die Worte zu achten, die in seinem Ohr zu hallen schienen.
Als sie den verkehrsreichen Stadtrand von Northampton, wo die Industrie zu blühen und zu gedeihen schien, endlich erreicht hatten, spürte Rutledge, dass er sich erstmals entspannte, seit sie losgefahren waren. Sein Nacken und seine Schultern waren vor Anspannung steif. Auf dem Weg zum Krankenhaus lockerten sie sich zusehends.
»Wie geht es Ihrem Knöchel?«, fragte Mrs. Channing, als er ausstieg und um den Wagen herumhumpelte, um ihr die Tür aufzuhalten.
»Wesentlich besser. Das Fahren verschlimmert es ein wenig. Wenn ich hundert Schritte gelaufen bin, ist es wieder in Ordnung.«
So war es dann auch.
Sie fanden die Oberschwester in ihrem Büro vor, und er bat darum, Constable Hensley sehen zu dürfen.
»Ich habe die Nachricht erhalten, dass ich sofort herkommen soll«, sagte er. Ihm graute davor zu hören, ihr Patient sei bereits gestorben.
Die Oberschwester nickte ernst. »Das Fieber ist gestiegen - letzte Nacht war es besorgniserregend, aber heute Morgen ist es ein wenig zurückgegangen. Ist das eine Verwandte?« Sie wies auf Mrs. Channing.
»Nein«, antwortete sie selbst und hielt der Schwester die Hand hin. »Ich heiße Meredith Channing. Ich war während des Krieges Krankenschwester. Ich hatte gehofft, Sie würden mir erlauben, mich still in ein Eckchen zu setzen, während Mr. Rutledge mit dem Constable spricht.«
Die Oberschwester reagierte auf diese warme, unwiderstehliche
Stimme und sagte: »Am Ende des Ganges finden Sie auf der linken Seite ein kleines Zimmer, direkt gegenüber vom Operationssaal. Es ist für die Mitarbeiter da, und gewöhnlich steht eine frische Kanne Tee auf der Warmhalteplatte bereit. Dort haben Sie es ruhig und behaglich.«
»Ich danke Ihnen.« Mrs.
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