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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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sie dann am ehesten? Mrs. Ellison ist kräftig genug, um einen Bogen zu spannen, nehme ich an, obwohl sie vermutlich kein allzu guter Schütze ist. Aber sie brauchte die Spitze nur tief genug in Constable Hensleys Rücken zu rammen, um ihm Angst einzujagen und ihn von dem Wäldchen fernzuhalten. Es ist sogar möglich, dass sie die Absicht hatte, den Pfeil wieder an sich zu bringen, aber er steckte zwischen den Knochen fest. Und jeder in Dudlington hätte geglaubt, dass ihn die Opfer der Sachsen mit einer gespenstischen Waffe angegriffen hatten. Eine perfekte Drohung, um Leute von Frith’s Wood fernzuhalten, meinen Sie nicht auch?«
    »Warum erzählen Sie mir das?«, fragte sie ihn an der Tür. »Ich wünschte, Sie wären nie hierhergekommen, nicht nach Dudlington und nicht in mein Haus.«
    »Ich musste der Sache mit dem Zahnstocher nachgehen. Mir ist niemand sonst eingefallen, der die Familie so gut kannte wie
Sie. Mrs. Ellison hat nie jemanden an sich herangelassen. Vielleicht aufgrund ihrer Geheimnisse, aber vielleicht auch aufgrund ihres Charakters. Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.«
    »Werden Sie mir sagen, warum, wenn Sie es wissen?«
    »Ja. Die Antwort darauf wüsste ich selbst gern.«
     
    Rutledge saß mit dem Zahnstocher in der Hand vor dem Feuer in Hensleys Büro.
    Wenn alle Welt glaubte, Harry Ellison sei schon seit so vielen Jahren tot und in London begraben, dann konnte niemand ein großes Geschrei darum gemacht haben, dass er verschwunden war.
    Und es ließ sich mit Mary Ellisons Charakter vereinbaren, dass sie ihren Mann lieber anständig bestattete als zuzulassen, dass sie in Dudlington als verlassene Ehefrau ins Gerede kam.
    Hamish sagte: »In der vorletzten Nacht war sie im Wäldchen.«
    »Ja, sie wollte sicher sein, dass ich ihren Mann nicht gefunden habe. Sie hat mich in dem Glauben gewiegt, sie nimmt mir ab, dass ich Emma suche. Das hat sie geschickt angestellt. Ich habe ihr geglaubt und sie sogar bemitleidet. Was jetzt zählt, ist, dass sie sich ganz allein bei Dunkelheit in Frith’s Wood hineingewagt hat. Sie hatte keine Angst davor, weil sie nicht in Dudlington aufgewachsen ist und man sie nicht von frühester Kindheit an gelehrt hat, das Wäldchen zu fürchten. Genau das hatten sie und Constable Hensley gemeinsam. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass sie das Wäldchen als den geeigneten Ort angesehen hat, um sich die Leiche ihres Ehemannes vom Hals zu schaffen.«
    »Ja, aber wie hat sie ihn dorthin geschleppt?«
    »Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass er noch am Leben war, als er dort ankam, aber die Wirkung des Gifts in seinem Körper bereits gespürt hat. Wenn sie dazu fähig war, ihn zu töten, dann
konnte sie sich bestimmt auch eine Ausrede ausdenken, um ihn zum Sterben dorthin zu locken.«
    Von der Tür drang ein Geräusch zu ihm, und er blickte auf und schloss eine Hand um den Zahnstocher, damit er nicht zu sehen war.
    Meredith Channing stand mit grimmigem Gesicht da.
    »Ich bin zurückgekommen«, sagte sie schlicht und einfach. »Ich bin nicht der Feigling, der ich gern sein wollte. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen.«
    Er lachte. »Ich würde Sie nach Letherington zum Essen einladen, wenn ich für möglich hielte, dass die Klatschmäuler dann nicht reden.«
    »Ich habe Hunger. Und was die Leute reden, ist mir reichlich egal. Übrigens machen Sie den Eindruck, als sollten Sie schleunigst aus Dudlington verschwinden. Was ist passiert?«
    »Wenn Sie Ihren Ehemann umbringen wollten, wie würden Sie dann vorgehen?«
    »Ich habe ihn nicht umgebracht, falls es das ist, was Ihr Polizistenverstand Ihnen sagt.«
    »Nein, ich beschuldige Sie nicht. Ich wüsste nur gern, wie Sie vorgehen würden, wenn Sie sich so etwas vorgenommen hätten.«
    Sie trat an das Fenster mit Blick zur Straße und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen.
    »Frauen machen sich nichts aus blutrünstigen Szenen. Es ist einfacher, Gift zu benutzen, wenn man nicht dabei ist und ihn sterben sieht. Ich würde meinen, das sei der schwierigste Teil. Das Zusehen.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Es behagt mir nicht, in Ihre brutale Welt hineingezogen zu werden, Ian.«
    War es seine brutale Welt, die Elizabeth Fraser bewogen hatte, ihn nicht noch einmal in Westmorland sehen zu wollen? Daran hatte er bisher gar nicht gedacht. Aber sie hatte einen Vorgeschmack davon bekommen, wie unsäglich Morde sein
konnten. Zum ersten Mal, seit er ihren Brief erhalten hatte, konnte er ihr nachfühlen, dass es eine

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