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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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nicht viel Schaden angerichtet, es sei denn, ich hätte im Bett gelegen und geschlafen.«
    In dem Moment fiel ihm die Gestalt wieder ein, die sich mitten in der Nacht in seinem Zimmer herumgetrieben hatte.

    Wie konnte in einem Dorf dieser Größenordnung das Kommen und Gehen eines Fremden von sämtlichen Bewohnern übersehen werden? Warum wurden nicht längst die wüstesten Spekulationen über ihn angestellt?
    Rutledge sah sich die Männer an, die herumstanden und miteinander redeten. Die Aufregung hatte sich gelegt, und jetzt unterhielten sie sich über gewöhnliche Dinge.
    Sie trugen dicke Kordhosen, robuste Stiefel, Tweedjacken oder auch welche aus schwerem Segeltuch und Hüte, die sie sich gegen den rauen Wind, der über die Felder wehte, tief ins Gesicht zogen.
    Sie brauchten einem nur den Rücken zuzukehren, dachte er, und sie waren kaum noch voneinander zu unterscheiden, höchstens durch Abweichungen in Größe und Breite.
    In der Regel standen die Leute hier nicht untätig an ihren kleinen Fenstern, sie hatten Besseres zu tun als hinauszuschauen. Andererseits schaute man garantiert ein zweites Mal hin, wenn man den Inspector aus London an die Tür eines Nachbarn klopfen sah. Dagegen ließ der vertraute Anblick eines Viehzüchters, der vorüberlief und die Schultern gegen die Kälte hochgezogen hatte, bestimmt niemanden genauer hinsehen. Ein solcher Mann konnte unbemerkt umherlaufen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Sogar Harry Ellison hatte neben der Kellertür, die ins Freie führte, Arbeitskleidung hängen gehabt.
    Es verhielt sich ganz ähnlich wie mit den ehemaligen Soldaten in den Städten, die alle so große Ähnlichkeit miteinander aufwiesen. Es gab so viele von ihnen, die keine Arbeit fanden oder bemüht waren, sich in einer Welt zurechtzufinden, die sich in ihrer Abwesenheit verändert hatte, dass die Leute bei ihrem Anblick wegschauten. Sie waren regelrecht unsichtbar.
    »Ein toter Soldat …«
    Er hatte sie in Kent gesehen und kurz darauf in Hertford, und er hatte keinen einzigen Gedanken auf sie verschwendet.
Aber hier wäre das etwas ganz anderes gewesen. Eine Verkleidung, die dazu gedacht war, sich ins Bild einzufügen und bloß nicht aufzufallen.
    Das erklärte, warum sein Peiniger nie gesehen wurde, sein Auftauchen nie bemerkt wurde. Er war unsichtbar, weil er sich durch nichts von allen anderen unterschied.
     
    Als sich die Leute endlich wieder verstreut hatten, ging Rutledge ins Haus und verbrachte eine Stunde damit, den nassen Boden aufzuwischen, wo die versengten Überreste des Teppichs in den Abfalleimer geräumt worden waren. Dann schnitt er dicke Klumpen verkohltes Rosshaar aus dem Ohrensessel. Es half ein wenig, um den starken Brandgeruch abzuschwächen.
    Hamish bemerkte: »Eine saubere Methode, um den Geruch des Todes zu übertünchen.«
    Rutledge fragte sich, ob Mrs. Ellison auf diesen Gedanken gekommen war.
    Anschließend machte er sich auf den Weg zum Pfarrhaus und fand Towson in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch vor. Er versuchte, mit der linken Hand zu schreiben, und war enorm frustriert.
    »Pah!«, sagte er, als Rutledge leise an die offene Tür klopfte. »Ich werde meine Predigten aus dem Gedächtnis halten müssen. Dieses Gekritzel kann keiner lesen.«
    »Daran wird sich niemand stören. Einige Dutzend Predigten sollten Sie inzwischen auswendig können.«
    Towson lächelte schelmisch und legte seinen Federhalter hin. »Zu den guten Dingen am Alter gehört, dass man sich an das, was vor zwanzig Jahren passiert ist, besser erinnern kann als an Vorfälle, die erst zwanzig Tage her sind.« Sein Lächeln verblasste. »Sie verströmen den Geruch von Rauch. Hat es schon wieder gebrannt? Ist jemand verletzt?«
    »In Constable Hensleys Haus ist ein kleines Feuer ausgebrochen.
Ein Funke aus dem Feuer ist auf den Teppich gefallen. Es ist nichts passiert, nur der Teppich ist hin.«
    »Der arme Mann, er hat doch schon genug gelitten. Mir behagt die Vorstellung nicht, dass er nach Hause kommt und mit zusätzlichen Widrigkeiten zu kämpfen hat. Was können wir tun? Ich bin sicher, dass es sich irgendwie machen ließe, ihm einen neuen Teppich zu besorgen.«
    »Er hat mittlerweile Fieber. Das Krankenhauspersonal macht sich Sorgen wegen einer möglichen Infektion.«
    Towson schnalzte mit der Zunge. »Ich sollte nach Northampton gehen und eine Weile bei ihm sitzen. Glauben Sie, es wäre Ihnen möglich, mich dorthin zu fahren?«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Mrs. Channing Sie gern

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