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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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er das verängstigte Gesicht von Grace Letteridge.
     
    »Inspector?«, rief sie voller Erstaunen aus. »Ich habe Sie überall gesucht! Sie müssen sofort kommen, es gibt Schwierigkeiten!«
    »Woher wussten Sie, dass Sie mich hier finden würden?«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier sind. In Constable Hensleys Haus waren Sie nicht, und ich war so verzweifelt, dass ich hergekommen bin, um Frank Keating zu holen.«
    »Mrs. Channing ist oben …«
    »Wir haben keine Zeit! Es könnte bereits zu spät sein. Jemand ist in Mary Ellisons Haus eingebrochen - die Tür steht weit offen und sämtliche Lichter brennen.«
    Hamish sagte: »Obacht!«
    In Grace Letteridges Stimme schwang nämlich etwas mit, eine unterschwellige Aufregung, die nicht echt klang.
    Er hatte nicht die Absicht, Meredith Channing allein im Oaks zurückzulassen.
    Wieder sprang er die Stufen hinauf und rief vor ihrer Tür: »Ich kann Keating nicht finden. Aber er ist bewaffnet und könnte Selbstmordabsichten haben. Jetzt hat es in Mrs. Ellisons Haus Ärger gegeben, und ich muss sofort hingehen. Ich glaube nicht, dass Sie allein hierbleiben sollten.«
    »Nein!« Er hörte das Scharren, mit dem ein schwerer Gegenstand zur Seite geschoben wurde, und dann das Geräusch des
Schlüssels, der ins Schloss gesteckt wurde. Sie öffnete die Tür und sagte mit atemloser Stimme: »Ich halte mich für mutig, aber nicht für tollkühn.«
    Sie blieb ihm auf der Treppe auf den Fersen und gemeinsam eilten sie hinter Grace Letteridge her, den Gehweg hinunter und an der Landstraße entlang, bis sie in die Holly Street mündete.
    Hamish sagte: »Ich würde diesem Mädel nicht trauen. Dem anderen auch nicht.«
    Sie erreichten die Kreuzung mit der Whitby Lane und blickten zu Mrs. Ellisons Haus auf.
    Grace hatte recht gehabt. In jedem Zimmer brannte Licht.
    Rutledge ließ die beiden Frauen im Eingang von Constable Hensleys Haus zurück und stieg die Stufen zu Mrs. Ellisons Haus hinauf.
    Als Erstes sah er Blutspritzer an den Wänden der Eingangshalle, die im Licht der Lampe, die dort hing, leuchtend rot waren.
    »Mrs. Ellison?«, rief er.
    Keine Antwort.
    »Ich bin Inspector Rutledge. Können Sie an die Tür kommen? Fehlt Ihnen etwas?«
    Seine Worte schienen durch das Haus zu hallen, doch sie trafen auf Stille.
    »Keating?«, rief er. »Sind Sie da? Machen Sie keine Dummheiten, meine Schlussfolgerungen könnten falsch gewesen sein. Dieser Bericht war nur eine von vielen Möglichkeiten.«
    Jetzt horchte er in die Stille. Manchmal war es möglich zu erkennen, ob sich jemand in einem Haus aufhielt oder nicht, denn irgendwie fühlte sich ein leeres Haus anders an, fast so, als hätte die Luft mehr Platz für sich.
    »Wenn sie nicht hier ist, wohin hat er sie dann gebracht?«
    »In das Wäldchen.«
    Rutledge rannte durch die Whitby Lane und die Church Street und stürmte in den Turm von St. Luke’s.
    Mit der Taschenlampe in einer Hand kletterte er die Steinstufen
zur ersten Ebene hinauf und richtete den Strahl auf den Glockenstrang.
    Er legte die Taschenlampe auf den Holzboden, griff nach dem Strang und begann, mit aller Kraft daran zu ziehen.
    Er vernahm einen abgehackten Missklang, und dann fand er den richtigen Rhythmus, mit dem er an dem Strang ziehen musste: ein fester Ruck, dann den Strang zwischen den Fingern hindurchgleiten lassen, und sowie er am fernsten war wieder ein kräftiger Ruck.
    Die Glocke oben im Turm begann zu läuten, eine Kadenz, die über seinem Kopf hallte und den Turm mit ihren Schwingungen ausfüllte.
    Er zog fünfmal an dem Strang und ließ dann Stille eintreten. Und dann wieder fünf Glockenschläge. Und gleich noch ein drittes Mal.
    Dann raste er die unebenen Steinstufen hinunter und zur Tür hinaus.
    Die ersten Männer versammelten sich bereits, die meisten in Kleidungsstücken, die sie hastig über ihre Nachtwäsche gezogen hatten und im Laufen zuknöpften.
    »Mrs. Ellison könnte in Frith’s Wood sein«, rief er ihnen zu, und seine Stimme war so tragend wie auf dem Schlachtfeld, als sie sich gegen den Lärm der Schüsse durchgesetzt hatte. »Wir brauchen Lampen, so viele wie möglich, und es eilt!«
    Im ersten Moment standen sie da und starrten ihn an.
    Diese Männer waren Einheimische, die selbst bei Tageslicht keinen Fuß in das Wäldchen gesetzt hätten, vom Dunkel der Nacht ganz zu schweigen.
    »Keiner braucht allein hinzugehen«, sagte er zu ihnen. »Suchen Sie sich Partner, bleiben Sie zusammen. Aber ich brauche Sie für die Suche. Wir können

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