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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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Zimmer war gut eingerichtet und an den blassblauen Wänden hingen etliche Aquarelle, die seine Aufmerksamkeit gefangen nahmen. Sie waren mit großer Kunstfertigkeit ausgeführt.
    Offensichtlich erboste es Miss Letteridge, dass er ihr nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen schien.
    »Dasselbe wie gegen jeden anderen Polizisten auch«, antwortete sie schnippisch. »Ich mache mir nicht besonders viel aus Angehörigen dieses Berufsstandes. Die stecken doch alle unter einer Decke, oder nicht? Hensley wurde hierhergeschickt, weil er in Verruf geraten war, und uns hat man nichts davon gesagt. Hier konnte er sich keine Schwierigkeiten einhandeln, nicht wahr? Schließlich sind wir in Dudlington sehr friedfertig, und er brauchte nichts weiter zu tun, als seine Runden zu drehen und sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, bis er eines Tages seine Pension kassieren kann. Jedenfalls war es theoretisch so gedacht.«
    »Woher wissen Sie, dass er in Verruf geraten war, als er hierherkam?«, fragte Rutledge gespannt.

    »Weshalb sonst sollte man einen Constable aus London in ein abgelegenes Dorf schicken, wo nie etwas passiert? Wo er keine Aufmerksamkeit auf sich lenken würde? Ich bin kein Dummkopf, Inspector, und die Welt außerhalb von Northamptonshire ist mir nicht ganz fremd. In den beiden ersten Kriegsjahren habe ich in London gearbeitet. Es gab nicht genug taugliche Männer, um die Hälfte der Arbeiten zu erledigen, die getan werden mussten. Frauen wurden bei jeder Gelegenheit dienstverpflichtet, und ein Constable, der auch nur das Geringste für die Polizeiarbeit getaugt hat, wäre schnell in höhere Ränge befördert worden, als sich immer mehr Männer zum Militärdienst gemeldet haben. Stattdessen haben ihn seine Vorgesetzten in die Verbannung geschickt.«
    »Das könnte durchaus der Fall sein. Aber bisher habe ich nicht verlauten hören, dass es ihn bei der Ausübung seiner Pflichten beeinträchtigt hat.«
    »Nein, ich bezweifle, dass seine Pflichterfüllung dadurch beeinträchtigt wurde. Sie haben recht. Aber ich sage Ihnen, einmal ein Mörder, immer ein Mörder.«
    Rutledge starrte sie an. »Wissen Sie mit Sicherheit, dass Constable Hensley in London jemanden ermordet hat und ungestraft davongekommen ist?« Das hatte ihm noch nicht einmal Sergeant Gibson gesagt. Und Cain auch nicht.
    »Er hat einen Fall von Brandstiftung stillschweigend geduldet. Ein Mann hat in den Flammen so üble Verletzungen davongetragen, dass seine eigene Frau ihn nicht identifizieren konnte. Ich bin persönlich nach London gefahren, um die Berichte in den Zeitungen zu lesen. Sie waren nicht allzu hilfreich. Daher habe ich mit seiner Witwe gesprochen. Sie ist erbittert, weil die Polizei alles unter den Teppich gekehrt hat. Verstehen Sie, er ist nicht gleich gestorben. Harold Edgerton. Er hat noch fast einen Monat durchgehalten, aber am Ende konnten die Ärzte die Infektionen nicht mehr aufhalten, die ihn dahingerafft haben. Inzwischen waren Gerüchte in Umlauf gesetzt worden,
er hätte das Gebäude selbst in Brand gesteckt. Er hatte nichts weiter getan als an jenem Abend noch einmal in die Firma zu gehen, um Papiere aus seinem Schreibtisch zu holen.«
    »Und all das hat Constable Hensley gewusst?«
    »Weshalb hätten sie es denn sonst so eilig gehabt, ihn aus London fortzuschaffen?«
    »Dann versuchen Sie also auch zu sagen, Sie glauben, er hätte Emma Mason umgebracht.«
    Jetzt war sie an der Reihe, ihn fassungslos anzustarren.
    »Sie wissen schon Bescheid über sie?«
    »Ich weiß nur, dass ihr Name immer wieder auftaucht, wenn die Leute über Constable Hensley reden.«
    »Gott ist mein Zeuge, er hat sie umgebracht und sie in Frith’s Wood verscharrt. Ich kann es, wohlgemerkt, nicht beweisen, aber es gibt keine andere Erklärung für ihr Verschwinden.«
    »Haben Sie aus Rachsucht diesen Pfeil auf ihn abgeschossen? Vielleicht sogar einen von Emma Masons Pfeilen, als eine Form von ausgleichender Gerechtigkeit?«
    »War es einer von Emmas Pfeilen? Wie angemessen! Diese Grundausrüstung zum Bogenschießen habe ich ihr geschenkt. Zum Geburtstag. Aber ich hätte mein Ziel nicht verfehlt, Inspector. Wenn ich diesen Bogen in der Hand gehalten hätte, wäre Constable Hensley an Ort und Stelle gestorben.«

12.
    Grace Letteridges Stimme war von rasendem Ungestüm erfüllt. Rutledge schauderte beim Zuhören und erkannte, dass sie durchaus einen Mord begangen haben könnte.
    Die Frage war nur, warum?
    Hamish sagte: »Sie war unscheinbar -

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