Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
unauffälligen Mittelklassewagen, wie sie die Autoverleiher zu Millionen führen.«
»Ziemlich riskant«, entgegnete Harper. »Wenn er einen Wagen mietet, muss er Papiere ausfüllen und hinterlässt dadurch eine Spur.«
Wieder nickte Reacher. »Wenn er sich einen Flugschein besorgt ebenfalls. Aber dieser Kerl ist bestens organisiert. Ich bin davon überzeugt, dass er einen tadellos gefälschten Ausweis besitzt. Anhand der Papiere könnt ihr ihn nicht aufspüren.«
»Na ja, wir werden es aber trotzdem versuchen. Außerdem heißt das, dass ihn bei den Autoverleihern jemand gesehen haben muss.«
»Oder auch nicht. Vielleicht reserviert er im Voraus und wird im Eilverfahren bedient.«
Harper nickte. »Aber wenn er den Wagen zurückbringt, wird er gesehen.«
»Kurz.«
Die Straße war so gerade, dass sie den schnellen Wagen etwa eine Meile vor ihnen noch immer sehen konnten. Reacher stellte fest, dass er inzwischen über neunzig Sachen fuhr, um mit ihm mitzuhalten.
»Wie lange dauert es, einen Menschen umzubringen?«, fragte Harper.
»Kommt drauf an, wie man es macht«, antwortete Reacher.
»Und wir wissen nicht, wie er es macht.«
»Nein, das wissen wir nicht. Das müssen wir erst noch rauskriegen. Aber wie immer er es auch anstellt, er geht dabei in aller Ruhe und sehr sorgfältig vor. Nirgendwo die geringste Schweinerei, keine verschüttete Farbe. Meiner Meinung nach dürfte es mindestens zwanzig, dreißig Minuten dauern.«
Harper nickte und reckte sich. Reacher roch einen Hauch Parfüm, als sie sich bewegte.
»Dann denken Sie doch mal an Spokane«, sagte sie. »Er steigt aus dem Flugzeug, holt den Wagen ab, fährt eine halbe Stunde lang zu Alisons Haus, hält sich eine halbe Stunde lang dort auf, fährt wieder eine halbe Stunde zurück und haut ab. Er treibt sich vermutlich nicht lange in der Gegend herum, stimmt’s?«
»Nicht in der Nähe des Tatorts, vermute ich«, erwiderte Reacher.
»Der Mietwagen müsste also innerhalb von knapp zwei Stunden wieder zurückgebracht werden. Wir sollten uns an den in Tatortnähe gelegenen Flughäfen erkundigen, ob jemand für kurze Zeit einen Wagen gemietet hat, und feststellen, ob es da gewisse Parallelen gibt.«
Reacher nickte. »Ja, genau das solltet ihr machen. So müsst ihr diese Sache angehen, das verstehe ich unter anständiger Polizeiarbeit.«
»Manchmal sagen Sie wir und manchmal ihr . Sie wissen noch nicht genau, was Sie wollen, aber Sie werden ein bisschen zugänglicher, ist Ihnen das klar?«
»Ich mochte Alison, jedenfalls soweit ich das beurteilen kann.«
»Und?«
»Und ich mag Rita Scimeca. Ich möchte nicht, dass ihr etwas zustößt.«
Harper reckte den Kopf und betrachtete die Rücklichter vor ihnen.
»Dann behalten Sie den Typ im Auge«, sagte sie.
»Er fliegt«, erwiderte Reacher kurz. »Das ist nicht unser Mann.«
Er war es auch nicht. Am Stadtrand von Ritzville blieb er auf der Route 90 und fuhr weiter nach Westen, in Richtung Seattle. Reacher bog auf die Route 395 ab, in Richtung Oregon. Sie hatten immer noch freie Fahrt, aber die Straße war schmaler und kurvenreicher, deshalb ging er vom Gas und ließ den Wagen einfach rollen.
»Erzählen Sie mir etwas über Rita Scimeca«, bat Harper.
Reacher zuckte die Achseln. »Sie war ein bisschen so wie Alison Lamarr, glaube ich. Sah nicht so aus, aber besaß eine ganz ähnliche Ausstrahlung. Taff, sportlich, tüchtig. War durch nichts zu erschüttern, soweit ich mich entsinne. Sie war Second Lieutenant. Hervorragende Personalakte. Hat im Nu die Offiziersausbildung durchlaufen.«
Er verstummte. Er sah Rita Scimeca vor seinem inneren Auge und stellte sich sie und Alison Lamarr nebeneinander vor. Zwei prima Frauen, die zu den Besten zählten, die die Army kriegen konnte.
»Damit stehen wir vor einem weiteren Rätsel«, fuhr er fort. »Wie macht er sie sich gefügig?«
»Gefügig?«, wiederholte Harper.
Reacher nickte. »Denken Sie doch mal nach. Er gelangt irgendwie in die Häuser, und dreißig Minuten später liegen die Frauen tot in der Wanne, nackt, ohne die geringste Verletzung. Keine Verwüstung, kein Durcheinander. Wie schafft er das?«
»Mit vorgehaltener Waffe, nehme ich an.«
Reacher schüttelte den Kopf. »Das haut aus zweierlei Gründen nicht hin. Wenn er mit dem Flieger anreist, hat er keine Schusswaffe dabei. Man darf keine Schusswaffe mit
an Bord nehmen. Das wissen Sie doch. Sie haben Ihre doch auch zu Hause gelassen.«
»Falls er mit dem Flugzeug anreist. Bislang ist das
Weitere Kostenlose Bücher