Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Ventilatoren und das Zischen des Schlauchs waren zu hören.
»Okay, jetzt geht’s erst richtig los«, sagte Stavely.
Er reichte dem Techniker den Schlauch, nahm ein Skalpell von der Karre und schlitzte den Sack auf ganzer Länge
auf, brachte oben und unten zwei Querschnitte an und zog die Gummihülle langsam ab. Schmatzend löste sie sich von der Haut. Er schlug sie in zwei langen Streifen zurück. Alison Lamarrs Körper kam zum Vorschein, von Kopf bis Fuß mit glitschiger Farbe bedeckt.
Stavely schnitt das Plastik rund um die Füße auf, entlang der Beine, um Hüfte und Taille, die Ellbogen, um Schultern und Kopf. Er zog die Gummistreifen weg, bis nur noch die Vorderseite des Sackes zwischen der an der Leiche haftenden Farbkruste und dem Stahltisch übrig war.
Da die Leiche auf dem Bauch lag, sahen sie die eingetrocknete Farbe von unten. Sie war geliert, voller Blasen, und wirkte wie die Oberfläche eines fremden Himmelskörpers. Stavely spülte zunächst die Ränder ab, die an der Haut klebten.
»Richtet das keinen Schaden an?«, fragte Blake.
Stavely schüttelte den Kopf. »Das ist nichts anderes als Nagellackentferner.«
Die Haut wurde allmählich grünlich weiß, als sich die Farbe löste. Stavely schälte mit den Fingerspitzen die Kruste ab und musste dabei so fest zupacken, dass sich die Leiche bewegte, hochgehoben wurde und wieder schlaff zusammensank. Er schob den Schlauch unter sie und tastete nach weiteren Rückständen. Der Techniker trat neben ihn und hob die Beine an. Stavely griff darunter, schnitt die eingetrocknete Farbe mitsamt der Plastikhülle ab und entfernte sie bis zu den Oberschenkeln. Spülte ständig mit Aceton nach, so dass ein steter grüner Strom in den Abfluss rann.
Dann nahm er sich den Kopf vor. Richtete den Schlauch auf den Nacken und sah zu, wie die Chemikalie durch die Haare rann. Die Haare waren der reinste Alptraum – dicke, mit Farbe verkrustete Strähnen, die wie ein verschlungenes Gitterwerk über ihrem Gesicht klebten.
»Die muss ich abschneiden«, stellte er fest.
Blake nickte mit finsterer Miene.
»Tja, geht wohl nicht anders«, sagte er.
»Sie hatte schöne Haare«, meinte Harper. Im Lärm der Ventilatoren war sie kaum zu verstehen. Sie wandte sich zur Seite und trat einen Schritt zurück. Ihre Schulter streifte Reachers Brust. Sie verharrte einen Moment lang so, länger als nötig.
Stavely nahm ein frisches Skalpell zur Hand und kappte die Haare so dicht wie möglich über der eingetrockneten Farbe. Dann schob er den Arm unter die Schultern der Leiche und zog sie hoch. Der Kopf löste sich von der Kruste, an der die verklebten Haare haften blieben wie die verschlungenen Wurzeln eines Mangrovendickichts im Sumpf. Er setzte den nächsten Schnitt an und schälte ein weiteres Stück Plastik ab.
»Hoffentlich fasst ihr den Kerl«, sagte er.
»Das haben wir vor«, erwiderte Blake.
Sie ließ sich mühelos bewegen, denn die mit Aceton vermischte Farbe wirkte wie ein Gleitmittel. Sie sah gespenstisch aus, als sie mit offenen Augen und grün verklebten Wimpern im Scheinwerferlicht lag, die Haut grünlich weiß und runzlig, voller Farbflecken. Die letzten Reste des Leichensacks klebten an ihr und bedeckten sie von den Brüsten bis zu den Schenkeln, wie ein altmodischer Badeanzug.
Stavely tastete auf der Plastikhülle herum, bis er auf das Metallwerkzeug stieß. Er schnitt den Sack auf, griff hinein und holte es heraus, wie ein Chirurg, der eine absonderliche Operation vornimmt.
»Ein Schraubenzieher«, bemerkte er.
Der Techniker säuberte ihn in einem Acetonbad und hielt ihn hoch. Es war ein hervorragendes Werkzeug – verchromter Stahl mit einem schweren Plastikgriff, unten scharf zugeschliffen.
»Der passt zu den anderen«, sagte Reacher. »In ihrer Küchenschublade, erinnern Sie sich?«
»Sie hat Kratzer im Gesicht«, rief Stavely plötzlich.
Er spülte gerade mit Hilfe des Schlauchs ihr Gesicht ab. Auf ihrer linken Wange befanden sich vier Schrammen, eine neben der anderen, die sich vom Auge bis hinab zur Kinnlade zogen.
»Hatte Sie die schon vorher?«, fragte Blake.
»Nein«, erwiderten Reacher und Harper wie aus einem Mund.
»Woher stammen sie dann?«, wollte Blake wissen.
»War sie Rechtshänderin?«, fragte Stavely.
»Keine Ahnung«, entgegnete Poulton.
Harper nickte. »Ich glaube, ja.«
Reacher schloss die Augen und versetzte sich wieder in ihre Küche, sah sie vor sich, wie sie ihm Kaffee eingoss.
»Rechtshänderin«, sagte er.
»Ganz
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