Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
wollte Blake wissen.
»Ohne dem Betreffenden eine Kugel durchs Herz zu jagen?« , sagte Stavely. »Durch eine Luftembolie ließe sich das am ehesten bewerkstelligen. Eine große Luftblase, die man direkt in die Vene spritzt. Das Blut zirkuliert erstaunlich schnell, so dass eine Luftblase wie ein Stein auf die Innenwand des Herzens schlägt, sozusagen wie eine kleine Kugel im Körper wirkt. Der dadurch ausgelöste Schock führt gewöhnlich zum Tod. Deswegen halten Krankenschwestern die Spritze vor dem Injizieren immer hoch und drücken einen Tropfen Flüssigkeit heraus. Weil sie sichergehen wollen, dass sich keine Luftblase im Kolben befindet.«
»Sie würden aber den Einstich erkennen, den eine Injektion hinterlässt, richtig?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. An einer Leiche, die in einem derartigen Zustand ist, auf keinen Fall. Die Haut wurde durch die Farbe angegriffen. Aber man würde bei der Obduktion die Schäden am Herz feststellen. Selbstverständlich werde ich darauf achten, wenn ich sie aufmache, aber ich bin nicht besonders zuversichtlich. Bei den anderen drei hat man nichts dergleichen gefunden. Und wir nehmen doch an, dass er immer die gleiche Methode anwendet, stimmt’s?«
Blake nickte. »Wie sieht es mit der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn aus?«
»Tod durch Ersticken, wie es der Laie bezeichnet«, sagte Stavely. »Das ist durchaus möglich, ohne eindeutige Spuren zu hinterlassen. Für gewöhnlich handelt es sich bei den Opfern um alte Menschen, die schwach und gebrechlich sind und denen man ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hat. Aber hier haben wir es nicht mit einem alten Menschen zu tun. Das Opfer war jung und kräftig.«
Reacher nickte. Er hatte im Lauf seiner langen, bewegten Dienstzeit einmal einen Mann erstickt. Und er hatte dabei seine ganze Kraft aufbieten müssen, um dessen Gesicht auf die Matratze zu drücken, während sich der Kerl aufbäumte und um sich schlug, bis er schließlich starb.
»Sie hätte sich gewehrt wie eine Wilde«, warf er ein.
»Ja, das glaube ich auch«, erwiderte Stavely. »Schauen Sie sie an. Sehen Sie sich die Muskulatur an. So leicht wäre sie nicht zu überwältigen gewesen.«
Reacher wandte jedoch den Blick ab. Die scheußliche grüne Farbe war überall in dem stillen, kühlen Raum verteilt.
»Ich glaube, sie war noch am Leben«, sagte er. »Als sie in der Wanne lag.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Stavely.
»Nirgendwo waren Farbkleckse oder -spritzer«, erwiderte Reacher. »Nicht die geringsten. Das Badezimmer war in tadellosem Zustand. Wie viel wiegt sie? Vierundfünfzig, fünfundfünfzig Kilo? Eine derartige Last in die Wanne zu hieven, ohne eine Mordsschweinerei zu veranstalten, ist verdammt schwer.«
»Vielleicht hat er ja die Farbe hinterher eingegossen«, wandte Blake ein. »Über sie.«
Reacher schüttelte den Kopf. »Dann wäre sie mit Sicherheit nach oben getrieben worden. Es sah aber so aus, als ob sie sich hätte hineingleiten lassen, so als ob man ein Bad nimmt. Sie wissen schon, erst steckt man den großen Zeh hinein, und dann lässt man sich ins Wasser sinken.«
»Wir müssen das im Experiment untersuchen«, meinte Stavely. »Aber ich glaube, es stimmt, was Sie sagen. Sie ist in der Wanne gestorben. Bei den ersten drei Opfern gab es keinerlei Hinweise darauf, dass sie überhaupt angefasst wurden. Keine Prellungen, keine Schürfwunden, nicht das Geringste. Auch keine Blessuren, die nach Eintritt des Todes entstanden. Wenn man eine Leiche bewegt, werden für gewöhnlich die Bänder an den Gelenken beschädigt, da keine Muskelspannung mehr vorhanden ist, die sie schützen könnte. Hier aber, in diesen Fällen, bin ich der Meinung, dass die Opfer alles aus eigenem Antrieb gemacht haben.«
»Außer sich umzubringen«, warf Harper ein.
Stavely nickte. »Selbstmörder, die ihrem Leben in der Badewanne ein Ende setzen, sterben fast ausschließlich durch Ertrinken unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, oder sie schneiden sich im warmen Wasser die Pulsadern auf. Hier handelt es sich offensichtlich nicht um Selbstmord.«
»Und die Opfer wurden auch nicht ertränkt«, sagte Blake.
Stavely nickte erneut. »Die ersten drei jedenfalls nicht. Man fand keinerlei Flüssigkeit in der Lunge. Bei der hier werden wir es erfahren, wenn wir sie aufmachen, aber ich würde dagegen wetten.«
»Und wie, zum Teufel, stellt er es dann an?«, fragte Blake.
Stavely betrachtete die Leiche mit einer Miene, aus der fast so etwas wie Mitgefühl sprach.
»Im
Weitere Kostenlose Bücher