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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gewesen, mit Harper unmoralisch. Völlig vernünftige Gründe, aber mit Vernunft allein lässt sich der Trieb nicht unterdrücken. Er dachte an Harpers Körper, an die Art, wie sie sich bewegte, das freundliche Lächeln, den offenen und freimütigen Blick. Er dachte auch an Scimecas Miene, den Schmerz in ihren Augen, die unsichtbaren Verletzungen. An das neue Leben, das sie sich in Oregon aufgebaut hatte, die Blumen, den Flügel, die auf Hochglanz polierten Möbel, die ganze häusliche Art, hinter der sie sich verschanzte. Er schloss die Augen, schlug sie dann wieder auf und griff zum Telefon. Wählte die Null und hoffte, dass er die Zentrale erreichte.
    »Ja?«, meldete sich eine ihm unbekannte Stimme.
    »Reacher hier«, sagte er. »Droben im dritten Stock.«
    »Ich weiß, wer und wo Sie sind.«
    »Ist Lisa Harper noch im Haus?«
    »Agent Harper?«, fragte sein Gesprächspartner. »Einen Moment bitte.«
    Eine Zeit lang war es still in der Leitung. Keine Musik, keine Ansage vom Band. Kein Gedulden Sie sich einen Moment . Rein gar nichts. Dann meldete sich die Stimme wieder.
    »Agent Harper ist noch da«, sagte sie.
    »Richten Sie Ihr bitte aus, dass ich sie sprechen möchte. Auf der Stelle.«
    »Ich werde die Nachricht weitergeben«, erwiderte die Stimme.
    Dann wurde die Verbindung unterbrochen. Reacher
setzte sich auf die Bettkante, wandte sich der Tür zu und wartete.
     
    Zur gleichen Zeit, um drei Uhr morgens in Virginia, war es an der Pazifikküste Mitternacht, und um Mitternacht begab sich Rita Scimeca für gewöhnlich zu Bett. Vorher unternahm sie ihren üblichen Rundgang, zum einen, weil sie von Haus aus ein ordnungsliebender Mensch war, eine Charaktereigenschaft, die sich durch die strenge militärische Ausbildung noch stärker ausgeprägt hatte. Und was bleibt einem schon übrig, wenn man immer allein gelebt hat und auch immer allein sein wird?
    Sie fing in der Garage an. Stellte den elektrischen Torheber ab, legte die Riegel vor, überzeugte sich davon, dass der Wagen abgeschlossen war, und schaltete das Licht aus. Schloss die Verbindungstür zum Keller ab und verriegelte sie, überprüfte den Heizbrenner. Ging nach oben und schaltete das Kellerlicht aus. Versicherte sich, dass die Haustür abgeschlossen war, verriegelte sie und legte die Kette vor. Sperrte dann die Dielentür ab.
    Danach überprüfte sie die Fenster. Vierzehn Fenster gab es in dem Haus, und alle waren mit Schlössern versehen. Jetzt, im Spätherbst und bei der Kälte, waren ohnehin alle geschlossen und verriegelt, aber sie kontrollierte sie trotzdem noch einmal. Sie hatte es sich so angewöhnt. Anschließend holte sie in der Küche einen Lappen und ging in den Salon, wo ihr Flügel stand. Sie hatte vier Stunden gespielt, hauptsächlich Bach, getragene Sachen, aber doch mit kräftigem Anschlag. Jetzt musste sie die Klaviatur reinigen, die Schweißspuren entfernen, die ihre Finger hinterlassen hatten. Sie wusste zwar, dass die Tasten aus hochwertigem Plastik bestanden und vermutlich unverwüstlich waren, aber sie wollte ihr Instrument trotzdem pfleglich behandeln und in Ehren halten. Der Flügel würde es ihr danken.
    Energisch wischte sie sämtliche achtundachtzig Tasten
ab, von den tief grollenden Bässen bis zum hohen Diskant. Sie schloss den Deckel, schaltete das Licht aus, brachte den Lappen in die Küche zurück. Schaltete das Küchenlicht aus und tastete sich die dunkle Treppe hinauf zu ihrem Schlafzimmer. Ging ins Bad, wusch sich Gesicht und Hände und putzte die Zähne, alles in strenger Reihenfolge. Sie stand schräg vor dem Waschbecken, damit ihr Blick nicht auf die Badewanne fiel. Sie hatte sie seit Reachers Erwähnung der Farbe nicht mehr angesehen.
    Danach begab sie sich ins Schlafzimmer und schlüpfte unter die Decke. Zog die Knie an und schlang sich die Arme um den Leib. Sie dachte an Reacher. Sie mochte ihn. Sehr sogar. Es war schön gewesen, ihn wieder zu sehen. Doch dann wälzte sie sich auf die andere Seite und verdrängte ihn aus ihren Gedanken, denn sie rechnete nicht damit, ihn noch einmal zu treffen.
     
    Er musste zwanzig Minuten warten, bis die Tür aufging und Harper zurückkehrte. Sie klopfte nicht, sondern schloss einfach auf und kam herein. Sie war im Hemd und hatte die Ärmel hochgekrempelt. Sie trug keinen BH. Möglicherweise hing er noch in dem Motelzimmer in Trenton.
    »Sie wollten mich sprechen?«, fragte sie.
    »Sind Sie noch an dem Fall dran?«
    Sie trat ins Zimmer und betrachtete sich im Spiegel.

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