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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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wenn wir sie rund um die Uhr bewachen wollen, dann kommen im Nu weit über hunderttausend Arbeitsstunden zusammen. Das schaffen wir einfach nicht. Wir verfügen nicht über so viele Leute. Wir haben die zuständigen Polizeidienststellen vor Ort vorgewarnt, aber was können die schon machen? In einem Kaff irgendwo in der Nähe von Spokane besteht das ganze Polizeiaufgebot vermutlich aus einem Sheriff und seinem Schäferhund. Die fahren ab und zu vorbei, nehme ich an, aber das ist dann schon alles.«
    »Haben Sie auch die Frauen gewarnt?«
    Blake wirkte betreten, schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Wenn wir sie nicht bewachen können, dürfen wir sie auch nicht warnen. Was sollen wir ihnen denn sagen? Ihr seid in Lebensgefahr, Mädels, aber so Leid es uns tut, damit müsst ihr selber klarkommen. Das geht einfach nicht.«
    »Wir müssen diesen Kerl fassen«, sagte Poulton. »Nur damit ist diesen Frauen gedient.«
    Lamarr nickte. »Er ist irgendwo da draußen. Wir müssen ihn dingfest machen.«
    Reacher sah sie an. Drei Psychologen. Und jeder versuchte den richtigen Ansatzpunkt zu finden. Sie wollten ihm
das Gefühl vermitteln, dass er gefordert war. Er lächelte. »Ich hab’s kapiert.«
    »Okay, Sie fliegen morgen nach Spokane«, sagte Lamarr. »Ich nehme mir unterdessen unsere Akten noch mal vor. Übermorgen können Sie sie dann einsehen. Die Erkenntnisse, die Sie bei Trent gewonnen haben, dazu all das, was Sie in Spokane erfahren, und das, was wir vorliegen haben. Danach erwarten wir allerdings, dass Sie uns ein gutes Stück weiterbringen.«
    Reacher lächelte erneut. »Meinetwegen, Lamarr.«
    »Essen Sie etwas, und gehen Sie dann zu Bett«, meinte Blake. »Sie haben eine weite Reise vor sich und müssen morgen in aller Frühe los. Harper kommt natürlich mit.«
    »Ins Bett?«
    Blake war wieder sichtlich verlegen. »Nach Spokane, Sie Arschloch.«
    Reacher nickte. »Meinetwegen, Blake.«
     
    Der Haken dabei war, dass es tatsächlich eine Herausforderung darstellte. Er war in seinem Zimmer eingeschlossen, lag auf dem Bett und starrte zu der versteckten Kamera hinauf. Aber er nahm sie nicht wahr. Er blickte ins Leere, so wie früher, bis alles verschwamm, bis er nur mehr einen Schleier vor Augen hatte. Einen grünen Schleier, als bestünde das ganze Land wieder aus endlosen Grassteppen und Wäldern, als wäre das heutige Amerika verschwunden, die Hochhäuser, die Straßen, der Lärm, die Menschenmassen  – bis auf einen Mann, der irgendwo da draußen sein Unwesen trieb. Reacher starrte in diesen Schleier, drang in ihn ein, hundert Meilen, tausend Meilen, dreitausend Meilen tief, ließ den Blick nach Nord und Süd schweifen, nach Osten und Westen, hielt Ausschau nach einer Schattengestalt, wartete auf eine jähe Bewegung. Er ist irgendwo da draußen. Wir müssen den Kerl fassen. Er lief in diesem Augenblick herum, wenn er nicht schlief, plante womöglich schon
die nächste Tat, bereitete sich darauf vor, und er hielt sich für den gerissensten Menschen auf dem ganzen Kontinent.
    Na ja, das wollen wir doch mal sehen , dachte Reacher. Er richtete sich auf. Er sollte sich ernsthaft dahinter klemmen. Andererseits vielleicht auch nicht. Es war eine schwere Entscheidung, die er da treffen musste, aber noch war sie nicht getroffen. Er rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Darüber konnte er später nachdenken. Er konnte die Entscheidung morgen treffen. Oder übermorgen. Irgendwann.
     
    Die Entscheidung ist gefallen. Hinsichtlich der Zeitspanne. Die ist hinfällig. Wird Zeit, dass die Sache ein bisschen zügiger vorangeht. Drei Wochen Wartezeit waren viel zu lange. Bei so einer Sache muss man eine Idee auf sich zukommen lassen, man muss sie in Augenschein nehmen, darüber nachdenken, feststellen, ob sie etwas taugt, ihren Vorteil erkennen, dann fällt die Entscheidung ganz von allein, nicht? Man kann den Geist nicht wieder in die Flasche bannen, wenn er erst einmal entwichen ist. Und dieser Geist ist entwichen. Nichts hält ihn mehr. Er tollt sich aus. Folglich tollst du mit ihm herum.

12
    Am nächsten Morgen fand keine Frühstücksbesprechung statt. Sie mussten so zeitig aufbrechen, dass Reacher noch nicht einmal angezogen war, als Harper die Tür aufschloss. Er war nur mit seiner Hose bekleidet, hatte das Hemd auf der Matratze liegen und strich gerade mit der flachen Hand die Knitterfalten glatt.
    »Ich liebe diese Narben«, sagte sie.
    Sie trat einen Schritt näher und musterte mit unverhohlener Neugier

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