Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Elektrobohrer verstaut waren.
Er kehrte ins Haus zurück und ging die Treppe hinauf.
Die gleichen Fenster wie unten. Vier Schlafzimmer. Das der Hausherrin befand sich eindeutig hinten links, mit Blick nach Westen, über das weite, offene Land. Morgens war es vermutlich ziemlich dunkel, aber dafür konnte man von hier aus den Sonnenuntergang beobachten. Das Badezimmer schien neu und nachträglich auf Kosten des Nebenzimmers eingebaut worden zu sein. Es enthielt eine Toilette, ein Waschbecken und eine Duschkabine. Und eine Badewanne.
Er ging wieder hinunter in die Küche. Harper stand am Fenster und genoss den Ausblick. Alison Lamarr saß am Tisch.
»Alles okay?«, fragte sie.
Reacher nickte. »Sieht meiner Meinung nach ganz gut aus. Schließen Sie die Türen immer ab?«
»Jetzt schon. Julia hat deswegen ein Riesentheater gemacht. Ich verriegle die Fenster, ich schließe die Türen ab, ich schaue durchs Guckloch, ich habe den Notruf gespeichert.«
»Dann sollten Sie einigermaßen sicher sein«, meinte Reacher. »Dieser Typ bricht offenbar keine Türen auf. Wenn Sie niemand einlassen, kann eigentlich nichts passieren.«
Sie nickte. »Genauso sehe ich das auch. Haben Sie noch Fragen an mich?«
»Deswegen hat man mich hergeschickt, glaube ich.«
Er ließ sich ihr gegenüber nieder. Konzentrierte sich auf die schimmernden Maschinen auf der anderen Seite des Zimmers und versuchte fieberhaft, sich etwas halbwegs Intelligentes einfallen zu lassen.
»Wie geht’s Ihrem Vater?«, fragte er.
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
Er zuckte die Achseln. »Julia hat erwähnt, dass er krank ist.«
Sie nickte verdutzt. »Er ist schon seit zwei Jahren krank. Krebs. Jetzt liegt er im Sterben. Es kann jeden Tag mit ihm zu Ende gehen. Er liegt im Krankenhaus in Spokane. Ich fahre jeden Nachmittag hin.«
»Das tut mir sehr Leid.«
»Julia sollte herkommen. Aber sie hat Probleme mit ihm.«
»Sie fliegt nicht.«
Alison verzog das Gesicht. »Sie könnte sich dazu überwinden, wenigstens einmal in zwei Jahren. Aber sie hat da einen Komplex, meint, sie wäre ja nur die Stieftochter, als ob das wirklich eine Rolle spielen würde. Soweit es mich angeht, ist sie meine Schwester, ganz schlicht und einfach. Und Schwestern kümmern sich umeinander, oder? Immerhin wird sie demnächst meine einzige Verwandte sein, Herrgott noch mal.«
»Tja, auch das tut mir Leid.«
Sie zuckte die Achseln. »Im Augenblick ist das nicht allzu wichtig. Womit kann ich Ihnen helfen?«
»Haben Sie eine Ahnung, wer dieser Typ sein könnte?«
Sie lächelte. »Das ist eher eine grundsätzliche Frage.«
»Es ist eher ein grundsätzlicher Ansatzpunkt. Haben Sie eine Vorstellung?«
»Es ist ein Typ, der glaubt, man dürfe Frauen belästigen. Auch wenn er es vielleicht nicht unbedingt für richtig hält. Es könnte jemand sein, der meint, man sollte solche Vorfälle unter Verschluss halten.«
»Ist das denn möglich?«, fragte Harper. Sie nahm neben Reacher Platz.
Alison warf ihr einen Blick zu. »Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Mittelweg gibt. Entweder man schluckt es, oder es wird öffentlich bekannt.«
»Haben Sie einen Mittelweg gesucht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin der lebende Beweis. Mir ist einfach der Kragen geplatzt. Da gab es keinen Mittelweg. Zumindest konnte ich keinen erkennen.«
»Wer war es in Ihrem Fall?«, fragte Reacher.
»Ein Colonel namens Gascoigne«, antwortete sie. »Er hat immer große Reden geschwungen, dass man jederzeit zu ihm kommen könnte, wenn man was auf dem Herzen hat. Ich bin
zu ihm gegangen, weil ich versetzt werden wollte. Ich habe ihn fünfmal aufgesucht. Mir ging es nicht um Gleichberechtigung oder Feminismus. Es war nichts Politisches. Ich wollte lediglich eine interessantere Aufgabe. Und ich dachte einfach, dass man gute Soldaten sinnvoller einsetzen sollte. Denn ich war gut.«
Reacher nickte. »Und was ist mit diesem Gascoigne vorgefallen?«
Alison seufzte.
»Ich hab nicht damit gerechnet«, sagte sie. »Zuerst dachte ich, er albert nur herum.«
Sie stockte. Wandte den Blick ab.
»Er sagte, ich sollte es beim nächsten Mal ohne meine Uniform versuchen«, fuhr sie fort. »Ich dachte, er will sich mit mir verabreden, wissen Sie, irgendwo in der Stadt, in einer Bar, außer Dienst, in Zivil. Aber dann ist er deutlich geworden – nein, er meinte, ich sollte nackt antreten, in seinem Büro.«
Reacher nickte. »Kein besonders anständiger Vorschlag.«
Wieder verzog sie das
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