Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
zu der
Maschine, die unmittelbar neben den Continental-Flugsteigen auf dem Vorfeld stand. Sie rannten durch die Kälte und den leichten Regen zur Gangway des Learjet und stürmten hinein. Vier Minuten später waren sie wieder in der Luft.
Mit dem Learjet gelangten sie wesentlich schneller von Seattle nach Spokane als mit der Cessna. Derselbe einheimische Agent mit demselben Wagen wartete auf sie. An der Windschutzscheibe hing nach wie vor der Block mit Alison Lamarrs Adresse. Er fuhr zehn Meilen nach Osten, in Richtung Idaho, und bog dann auf die schmale Straße ab, die nach Norden ins Bergland führte. Nach etwa fünfzig Metern stießen sie auf eine Straßensperre mit zwei Polizeiwagen und einem zwischen den Bäumen gespannten gelben Absperrband. Über den Bäumen ragten in der Ferne die Berge auf. Die Gipfel im Westen waren grau und in Regenschleier gehüllt, aber im Osten fielen schräge Sonnenstrahlen durch die Wolken und spiegelten sich auf den schmalen Schneefeldern hoch droben in den Hangrinnen.
Einer der Männer an der Straßensperre löste das Band von den Bäumen und ließ sie durch. Der Wagen fuhr weiter, an den abgeschiedenen Häusern vorbei, die im Abstand von etwa einer Meile am Wegesrand standen, bis zu der Kurve vor Lamarrs Haus, wo er anhielt.
»Von hier ab müssen Sie zu Fuß gehen«, sagte der Fahrer.
Er blieb im Wagen sitzen, als Harper und Reacher ausstiegen und losmarschierten. Die Luft war feucht und klamm, und feiner Nieselregen fiel. Sie kamen um die Kurve und sahen zu ihrer Linken, hinter dem Zaun und den vom Wind zerzausten Bäumen, das Haus liegen. Eine Reihe Autos versperrte die Straße – ein schwarz-weißer Streifenwagen der örtlichen Polizei mit unentwegt blinkenden Lichtern auf dem Dach, zwei dunkle Limousinen und ein schwarzer Suburban mit dunkel getönten Scheiben, ein Leichenwagen, dessen Türen offen standen. Auf sämtlichen Fahrzeugen glitzerten Regentropfen.
Als sie näher kamen, ging die Beifahrertür des Suburban auf, und Blake stieg aus und kam ihnen entgegen. Er trug einen dunklen Anzug und hatte den Jackenkragen hochgeschlagen, um sich vor der Nässe zu schützen. Sein Gesicht war eher grau als rot, so als wäre vor lauter Schreck sein Blutdruck abgesackt. Er kam sofort zur Sache. Grußlos, ohne sich zu entschuldigen, ohne ein freundliches Wort, geschweige denn ein Eingeständnis, dass er sich geirrt hatte.
»Wir haben hier oben nur noch etwa eine Stunde Tageslicht«, sagte er. »Ich möchte, dass Sie mich überall hinführen, wo Sie vorgestern gewesen sind, und mich auf eventuelle Veränderungen hinweisen.«
Reacher nickte. Mit einem Mal wollte er etwas finden. Irgendetwas Wichtiges. Etwas Entscheidendes. Nicht wegen Blake. Wegen Alison. Er stand da und betrachtete den Zaun, die Bäume und den Rasen. Alles wirkte gepflegt. Es war nur ein kleines, unbedeutendes Stück Land auf diesem großen Planeten, aber es war geschmackvoll angelegt und zeugte vom Einsatz und der Begeisterung einer Frau, die das alles mit eigenen Händen geschaffen hatte. Einer Frau, die jetzt tot war.
»Wer ist schon alles drin gewesen?«, fragte er.
»Nur der hiesige Streifenpolizist«, erwiderte Blake. »Derjenige, der sie gefunden hat.«
»Sonst niemand?«
»Nein.«
»Nicht mal Ihre Jungs oder der Leichenbeschauer?« Blake schüttelte den Kopf. »Ich wollte erst Ihre Meinung hören.«
»Ist sie noch drin?«
»Ja, so Leid es mir tut.«
Rundum herrschte Stille. Nur das leise Säuseln des Windes in den Stromleitungen war zu hören. Der rot-blau blinkende Lichtschein des Streifenwagens huschte über den Rücken von Blakes Anzugjacke, rhythmisch und sinnlos.
»Okay«, sagte Reacher. »Hat der Polizist was angerührt?«
Wieder schüttelte Blake den Kopf. »Er hat die Tür geöffnet, ist unten herumgegangen, die Treppe hinaufgestiegen, hat sie im Badezimmer gefunden und ist sofort wieder herausgekommen und hat Meldung gemacht. Sein Einsatzleiter war so vernünftig, ihm abzuraten, noch mal reinzugehen.«
»War die Haustür abgesperrt?«
»Geschlossen, aber nicht abgesperrt.«
»Hat er geklopft?«
»Ich nehme es an.«
»Dann sind vermutlich seine Fingerabdrücke auf dem Klopfer. Und auf den Türgriffen innen ebenfalls.«
Blake zuckte die Achseln. »Spielt keine Rolle. Die Abdrücke von unserem Typ dürften dadurch nicht verwischt sein, weil er ohnehin keine hinterlässt.«
Reacher nickte. »Okay.«
Er ging an den geparkten Fahrzeugen und der Einfahrt vorbei, lief etwa zwanzig Meter
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