Zeit der Rache - Zeit der Liebe
sie sagte sich, dass es nur Wunschdenken war.
Es war tatsächlich zu spät.
Und sie konnte ihm nicht verdenken, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Schließlich erinnerte sie ihn ständig an das, was ihr Vater getan hatte.
„Ach, und wenn du deinen Vater morgen besuchst …“
Saskia wartete einen Moment. „Ja?“, fragte sie dann.
„Richte ihm aus, dass er der einzige Mensch auf der Welt ist, den ich am liebsten umgebracht hätte. Und dass er noch Glück gehabt hat.“
Seine bitteren Worte veranlassten sie, die Augen zu schließen, und als Saskia sie wieder öffnete, war Alex verschwunden. Kurz darauf fiel die Tür ins Schloss.
Er war gegangen.
Wieder einmal.
Zum zweiten Mal in ihrem Leben ließ er sie einfach fallen. Und zum zweiten Mal in ihrem Leben schien es ihr, als hätte er ihr das Herz gebrochen.
10. KAPITEL
Die Besprechung mit Sir Rodney und den Vorstandsmitgliedern war so verlaufen, wie sie erwartet hatte. Zumindest redete Saskia es sich ein, als sie vor dem Snapmedia-Gebäude stand, in den grauen Himmel blickte und mit den Tränen kämpfte.
Der Mann, der sie alle um eine Unterredung gebeten hatte, um sie davon zu überzeugen, dass die Verlobung von Anfang an eine Farce gewesen war, war überhaupt nicht aufgetaucht. Und natürlich hatte der Vorstand daraus seine Schlüsse gezogen.
Vielleicht wäre sie in der Lage gewesen, für sich einzustehen, wenn sie nicht die halbe Nacht allein in der Suite wach gelegen und gelitten hätte, weil ihr Vater nicht der Mensch war, für den sie ihn immer gehalten hatte. Doch sie war gerädert und fühlte sich innerlich leer und fragte sich, ob sie überhaupt noch hatte kämpfen wollen.
Zum Schluss hatte der Vorstand eingeräumt, dass sie noch eine geringe Chance hatte, wenn sie ihr Porträt noch in dieser Woche einreichte, dieses allerdings mit Carmens hervorragend recherchiertem Artikel mithalten müsste.
Beinah hätte sie laut gelacht. Wie sollte sie ein Porträt einreichen, wenn die betreffende Person gerade mit ihr gebrochen hatte? Sie hatte nicht die geringste Chance. Doch brauchte sie eine?
Sie hatte auf den Job hingearbeitet, um ihrem Vater helfen zu können. Momentan wusste sie allerdings nicht einmal, ob sie diesen überhaupt wiedersehen wollte.
Es war sehr kalt. Saskia zog ihren Mantel enger um sich und blinzelte die Tränen weg, als ein besetztes Taxi nach dem anderen vorbeifuhr. Sicher wollte sie ihn sehen, denn schließlich war er ihr Vater. Und er war alt und gebrechlich und hatte niemand anderen außer ihr, der sich um ihn kümmerte.
Aber wenn es stimmte …
Wenn er tatsächlich etwas so Unverzeihliches getan hatte …
Wo waren denn nur all die freien Taxis in London?
Saskia rieb sich die Hände und wünschte, sie hätte Handschuhe mitgenommen. Plötzlich vermisste sie Alex, der immer über irgendein Transportmittel verfügte, sei es eine Limousine oder ein Privatjet.
Irgendwann gelang es ihr, ein Taxi anzuhalten. Sie öffnete die Tür hinten und sprang hinein.
„Wohin soll’s gehen?“, fragte der Fahrer.
In dem Wagen war es angenehm warm, und es dauerte einen Augenblick, bis Saskia bewusst wurde, dass sie eine Entscheidung treffen musste, und zwar sofort.
Sie atmete tief durch und nannte ihm die Adresse ihres Vaters.
Zwanzig schreckliche Minuten später hielt das Taxi vor dem schäbigen Mietshaus, in dem ihr Vater wohnte.
Er ist ein alter Mann, sagte Saskia sich, als sie in den zweiten Stock ging.
Er war immer noch derselbe Mensch, mit dem sie vor einer Woche gesprochen hatte.
Und egal, was er getan hatte, er war immer noch ihr Vater. Allerdings fiel es ihr schwer, es zu glauben und ihm irgendwelche Gefühle entgegenzubringen.
Nachdem sie das dritte Mal geklopft hatte, bereute sie, ihn nicht vorher angerufen zu haben. Aber sie hätte nicht gewusst, was sie ihm hätte sagen sollen.
Vielleicht sollte sie erleichtert darüber sein, dass er nicht zu Hause war. Womöglich war sie nicht bereit zu einer Konfrontation. Aber wo steckte er? Als sie das letzte Mal mit ihm telefonierte, war er zu krank gewesen, um die Wohnung zu verlassen.
Im nächsten Moment wurde die Tür zur Nachbarwohnung geöffnet, und eine Frau steckte den Kopf heraus.
„Mrs. Sharpe“, grüßte Saskia sie erleichtert. „Ich wollte meinen Vater besuchen, aber er macht nicht auf. Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte?“
Nun kam Enid Sharpe, die ein sehr faltiges Gesicht und einen gebückten Gang hatte, auf sie zu. „O Saskia, Liebes,
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