Zeit der Rache - Zeit der Liebe
zu haben. Er hörte, wie Marla schneller atmete, und merkte, wie schockiert sie war.
„O nein! Du hast ihr doch nicht etwa erzählt …? Bitte sag mir, dass du ihr nicht …“
Alex schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht leugnen. Er hatte Saskia benutzt und beleidigt und sie dann einfach fallen lassen. Und er war so selbstgerecht gewesen! Trotz allem hatte es in der Suite in London Momente gegeben, in denen er sie nicht gehen lassen wollte. Doch in letzter Minute hatte Marlas Nachricht ihn davor bewahrt, schwach zu werden, und ihm bewiesen, dass es richtig gewesen war, Saskia nicht zu vertrauen.
Was hatte er nur getan?
Die Hände in den Hosentaschen, stand Alex in seinem Arbeitszimmer und blickte aus den hohen Fenstern. Er kannte die Aussicht. Er kannte jeden Baum und jeden Felsen auf dem Weg zum See und jeden Berg, der sich auf der anderen Seite des Ufers erhob.
Warum sah dann heute alles ganz anders aus?
Es war ein kühler Morgen, und die Oberfläche des Lake Tahoe war spiegelglatt. Da er nicht hatte schlafen können, war er ganz früh aufgestanden, um all das aufzuarbeiten, was in den letzten Tagen liegen geblieben war.
Allerdings war Alex absolut nicht in der Lage gewesen, sich zu konzentrieren.
Es gab momentan nur eines, was ihn beschäftigte und die Ursache für das Unwohlsein war, das ihn quälte.
Er hatte sich gründlich getäuscht.
Und das betraf nicht nur seine Schwester.
Jahrelang hatte Alex geglaubt, er würde sie beschützen, und sie in Watte gepackt. Dabei hatte er sich gefragt, warum sie bei jeder Gelegenheit zu fliehen versuchte. Aber war es nicht verständlich? Er hatte ihr nie vertraut und ihr nie die Möglichkeit gegeben, etwas aus ihrem Leben zu machen. Er hatte ihr keine Zeit gegeben, aus ihren Fehlern zu lernen, und alle Entscheidungen für sie getroffen.
Es war ein Wunder, dass Marla immer noch zu ihm hielt.
Was er Saskia angetan hatte, war allerdings noch viel schlimmer.
Er hatte sie falsch eingeschätzt, ihr misstraut und sie zum Teufel geschickt.
Wenn er sein Unternehmen so leiten würde, wäre er innerhalb kürzester Zeit bankrott.
War das nicht genau das passende Wort?
Sein Verhalten ihr gegenüber war eine einzige Bankrotterklärung. Er hatte ihr misstraut, weil sie Victor Prentice’ Tochter war, und sich geweigert, ihr zu glauben. Und als er Marlas Nachricht abhörte, hatte er seine Vorurteile bestätigt gesehen.
Saskia hatte ihn nicht belogen und sein Vertrauen nicht missbraucht. Obwohl sie ihn niemals hatte wiedersehen wollen, war sie hierhergekommen, und das nicht aus eigenem Interesse, sondern um ihrem Vater zu helfen.
Was war er doch für ein Idiot! Alex ballte die Hände zu Fäusten, als er sich daran erinnerte, wie er sie verlassen hatte. Das Handtuch vor den Mund gepresst, kauerte sie im Bad auf dem Fußboden und blickte ihn angsterfüllt wie ein verwundetes Tier an. Wie eine Trumpfkarte hatte er die vermeintliche Tat ihres Vaters ausgespielt und ihr damit den Dolchstoß versetzt.
Er hatte ihren Vater ruiniert. Er hatte ihre Karriere zerstört, indem er sie nicht zu der Besprechung mit dem Vorstand begleitete. Er hatte ihr Leben zerstört und war dann einfach gegangen.
Er hatte seine zweite Chance allzu leichtfertig verspielt.
Jetzt gab es keine Hoffnung mehr.
Saskia wachte auf und bewegte die schmerzenden Glieder. Da sie im Schneidersitz saß, bohrten sich die Armlehnen des Plastikstuhls schmerzhaft in ihre Beine. Sie öffnete die Augen und betrachtete ihren Vater. Traurig stellte sie fest, dass sein Zustand unverändert war.
Nach drei Tagen an seinem Bett wusste sie, worauf sie achten musste. Und allmählich fragte sie sich, ob er nach der inoperablen Hirnblutung je wieder aus dem Koma aufwachen und allein atmen würde.
„Es kann fünf Tage dauern, bis er aufwacht“, hatten die Ärzte sie gewarnt. „Oder fünf Monate. Und selbst dann …“
Saskia kniff die Augen zusammen und versuchte, diese schmerzliche Tatsache zu verdrängen. Es ging jedoch nicht. Die Ärzte hatten ihr gesagt, sie müsste mit dem Schlimmsten rechnen. Selbst wenn sein Zustand sich besserte, würde ihr Vater Monate, vielleicht sogar Jahre brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.
Sie wollte nicht daran denken. Tagelang hatte sie sich den Kopf zerbrochen, aber was hätte sie sonst machen sollen? Auch die Erinnerung an die vergangenen Wochen mit Alex brachte keinen Trost. Denn zum zweiten Mal in ihrem Leben hatte sie sich dem Mann hingegeben, den sie zu lieben glaubte. Und
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