Zeit der Rache - Zeit der Liebe
wieder hatte er sie wie Dreck behandelt und einfach fallen lassen.
Wie hatte sie nur so dumm sein können? Hatte sie aus der Geschichte damals nichts gelernt?
Erneut blickte Saskia zu ihrem Vater. Das Beatmungsgerät hielt ihn am Leben. Sie betrachtete seine geschlossenen Lider und seine eingefallenen Wangen. Er sah aus wie ein alter, gebrochener Mann.
Als sie zu seiner Wohnung fuhr, um ihn zu besuchen, war ihr speiübel gewesen. Was sollte sie ihm sagen? Wie sollte sie glauben, dass ihr Vater zu so etwas fähig war? Denn sie hatte solche Angst davor gehabt, dass Alex’ Behauptung stimmte.
Doch nun lag ihr Vater im Koma und würde vielleicht sterben. War alles andere da nicht unwichtig?
Er war und blieb ihr Vater.
Und sie liebte ihn immer noch.
Tränen liefen ihr über die Wangen. Was war sie nur für ein Mensch? Vielleicht hatte Alex recht, und Victor und sie verdienten einander.
Die Tür schwang auf, und eine Krankenschwester kam ins Zimmer. Mitfühlend lächelte sie ihr zu, bevor sie die Werte ihres Patienten überprüfte. „Draußen ist so schönes Wetter, Miss Prentice, aber es soll nachher noch regnen. Was halten Sie davon, wenn Sie sich einen Tee holen und etwas an die frische Luft gehen?“
Saskia streckte sich und schlüpfte in ihre Schuhe. „Keine schlechte Idee.“ Hier konnte sie ohnehin nicht viel tun.
Es war schon dunkel, als Saskia in ihre kleine Einzimmerwohnung zurückkehrte. Sie war völlig ausgelaugt und wünschte sich nichts sehnlicher, als ein heißes Bad zu nehmen. Fünfeinhalb Tage hatte sie im Krankenhaus verbracht und war zwischendurch nur kurz in den Garten gegangen, weil sie ihren Vater nicht lange allein lassen wollte. Er hatte niemanden außer ihr. Was war, wenn er aufwachte?
Die Ärzte hatten allerdings recht. Sie musste zu Hause etwas ausspannen.
Saskia schloss die Tür auf, ging hinein und schaltete das Licht ein. Auf der Kommode im Flur lag ein Stapel Briefe. Wie immer hatte ihre Vermieterin während ihrer Abwesenheit nach dem Rechten gesehen. Als Saskia sich umdrehte, bemerkte sie einige Kartons im Wohnzimmer.
Verwirrt ging sie darauf zu und betrachtete den Aufkleber.
Sie kamen aus Lake Tahoe. Alex hatte ihr also ihre Sachen geschickt. Aber warum waren es so viele Pakete? Sie hatte doch kaum etwas zurückgelassen, ausschließlich Dinge, die sie nicht wiederhaben wollte.
Saskia öffnete den ersten Karton. Er enthielt die exklusiven Outfits, die Alex ihr in Sydney gekauft hatte, damit sie an seiner Seite standesgemäß gekleidet war. Sie hatte die Sachen nie als ihre betrachtet. Das schöne Chiffonkleid, das sie auf der Reise getragen hatte, fiel ihr in die Hände und das atemberaubende Ballkleid. Das Paket enthielt Kleidungsstücke, die sie nie angehabt hatte, sowie Schuhe, Taschen und Unterwäsche.
Saskia kniete auf dem Teppich und betrachtete all diese Dinge. Plötzlich musste sie lachen.
Es war wirklich komisch. Obwohl die Sachen nie ihr gehört hatten, hatte Alex die Schränke ausgeräumt und ihr alles geschickt. Ein anderer Karton enthielt noch mehr Ballkleider, wieder ein anderer Kostüme. Offenbar hatte Alex eine ganze Boutique leer gekauft!
Saskia lachte und lachte, unfähig, die Hysterie zu unterdrücken. Alex hatte sich aller Dinge entledigt, die sie angesehen oder sogar berührt hatte. Er hatte all ihre Spuren aus seinem Leben getilgt, um ihr zu zeigen, dass er nicht an sie erinnert werden wollte.
Wie kam er überhaupt darauf, dass sie an ihn erinnert werden wollte?
Sie lachte immer weiter, und als sie kurz darauf ins Bett ging, wusste sie nicht mehr, wann sie angefangen hatte zu weinen.
Vierundzwanzig Stunden später funktionierte Saskia wieder, wenn man es so nennen konnte. Es klingelte an der Tür, und sie band ihr Haar, das noch feucht vom Duschen war, zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Ich komme schon!“, rief sie. Die Hilfsorganisation, die sie angerufen hatte und die die Kartons abholen wollte, hatte offenbar keine Zeit verloren. Aber das war nur gut so, denn sie wollte die Sachen nicht mehr sehen.
Als Saskia die Tür öffnete, erstarrte sie.
„Hallo, Saskia.“
11. KAPITEL
Saskia schloss die Augen und atmete tief durch, doch als sie sie wieder öffnete, stand Alex immer noch da.
„Was willst du hier?“, erkundigte sie sich mühsam beherrscht.
„Ich wollte dich sehen.“
Sie bemerkte die feinen Falten auf seiner Stirn und in seinen Mundwinkeln. Sein Hemd war zerknittert, und er wirkte müde, vielleicht sogar erschöpft. Trotzdem
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