Zeit der Rache - Zeit der Liebe
gerade gegenüberstand, wirkte viel männlicher, reifer. Nicht, dass er etwa alt aussah, ganz im Gegenteil. Der Mann war wohl höchstens dreißig.
„Oh, entschuldigen Sie – ich meine, scusami per favore“, brachte sie hervor und wiederholte damit einen der Sätze, die sie noch im Flugzeug von ihren italienischen Sprachkassetten gelernt hatte.
„Sie sind Engländerin?“ Wieder wow! Diese aufregende Stimme berührte sie auf eine so intime Art und Weise, wie sie in zwei Jahren Ehe nicht berührt worden war. Bethany musste alle Willenskraft aufbringen, um nicht zu erschauern.
„Nein, Amerikanerin.“
Er drückte sanft ihre Schultern, aber nicht, um Bethany aus dem Weg zu schieben. Und auch sie machte keine Anstalten, zur Seite zu gehen.
„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, sagte der Fremde.
„Doch, ich habe nicht aufgepasst.“
„Ah, aber dafür bin ich sehr dankbar.“ Er lächelte und musterte sie anerkennend.
Auf einmal kam Bethany ihr Kopf ganz leer und leicht vor, ihr fiel keinerlei Erwiderung auf seine Bemerkung ein.
„Sie haben es eilig, ja?“, erkundigte er sich.
„Äh, ja?“
Sein Lächeln wurde intensiver, und Bethanys Herz überschlug sich fast. „Sie sind sehr schnell durch diese Tür gekommen“, erklärte er.
„Ach ja, stimmt. Da haben Sie recht, ich habe es wirklich eilig. Ich … ich habe nämlich meine Handtasche hier liegen lassen und es erst an der U-Bahn gemerkt, als ich mir eine Fahrkarte kaufen wollte“, stammelte sie hastig.
Nun wurde der Mann ernst. „Das ist nicht gut.“
„Nein“, bestätigte Bethany. Allerdings konnte sie sich schon gar nicht mehr daran erinnern, worum es gerade ging.
In diesem Augenblick sagte jemand, der hinter dem Mann stand, etwas zu ihm. Er fuhr herum und nahm dabei die Hände von Bethanys Schultern. Dann entschuldigte er sich dafür, den Eingang blockiert zu haben, und legte Bethany wie selbstverständlich den Arm um die Taille, um sie von der Tür wegzuführen. An ihnen vorbei verließ ein Pärchen das Café. Die Frau, eine umwerfende Brünette, warf Bethany einen seltsamen Blick zu, der ihr direkt ein bisschen neidisch vorkam.
Aber darüber konnte sie sich in diesem Moment keine weiteren Gedanken machen, nicht jetzt, wo der Fremde die Hand immer noch an ihrer Taille hatte. Es kam Bethany so vor, als wären seine Finger elektrisch geladen und würden kleine Stromstöße durch ihren Körper senden. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Natürlich hatte sie schon von diesem erotischen Knistern gelesen, das auch zwischen zwei vollkommen fremden Menschen entstehen kann. Allerdings hatte sie es noch nie am eigenen Körper gespürt – geschweige denn, dass sie sich hätte träumen lassen, dass es so intensiv sein könnte. Sie konnte ja kaum noch atmen. Und auch ihr Denkvermögen schien sich vollkommen verabschiedet zu haben …
Genau deshalb hatte sie wohl auch noch nichts wegen ihrer liegen gelassenen Handtasche unternommen. „Ich muss jetzt …“ Bethany verstummte, als sich erneut ihre Blicke begegneten.
„Ich frage schnell nach Ihrer Tasche.“
„Vielen Dank.“
Die Hand immer noch fest an ihrer Taille, führte der Mann Bethany in den Raum hinein … und sie ließ es einfach geschehen. Ob er die starke erotische Anziehung zwischen ihnen wohl genauso spürte wie sie?
Der Mann wechselte ein paar Worte mit dem Wirt, der daraufhin Bethany ihre Handtasche reichte. Der kleine, ziemlich rundliche Mann mit dem freundlichen Gesicht lächelte sie an und ermahnte sie dann: „Sie sollten in Zukunft besser aufpassen, signorina. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich die Tasche vorhin nicht gleich auf dem Stuhl gesehen hätte.“
„Dann wäre sie wahrscheinlich jetzt weg“, erwiderte der Mann an Bethanys Seite.
Sie betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. Wahrscheinlich hielt er sie wegen ihrer Vergesslichkeit für vollkommen dämlich. Sein Blick aber wirkte bloß ernst, nicht etwa verächtlich.
„Na ja, immerhin ist mein Reisepass nicht drin. Oder besonders viel Geld“, verteidigte sie sich.
„Schauen Sie trotzdem lieber mal nach, ob noch alles da ist“, empfahl der attraktive Fremde. „Eventuell hat schon jemand anders … hineingeschaut, bevor Antonio die Handtasche gefunden hat.“
Schnell ging Bethany den Inhalt durch, dann blickte sie hoch und lächelte den Cafébesitzer an. „Es ist noch alles da, haben Sie herzlichen Dank.“ Bethany holte etwas Geld aus ihrem Portemonnaie, um es Antonio in die Hand zu
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