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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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durchsucht hätte.« Die Ermittlungen werden fortgesetzt.
    Dieser Wichtigtuer! Die Story läuft jetzt schon seit Monaten, und es erstaunt mich etwas, dass sie ihn noch nicht gefasst haben. Er ist nämlich nicht besonders vorsichtig. Und ich finde ihn, ehrlich gesagt, auch ein bisschen dröge. Seiner Arbeit fehlt schlicht die Redlichkeit.
    Aber vermutlich immer noch besser, als an die Decke zu starren. Wenn die doch nur mal das Fenster öffnen würden. Ich würde so gern die Luft riechen.
     
    In Tiger House war alles ruhig, als ich dort eintraf, wahrscheinlich waren alle am Strand. Ich trug die Tasche in mein Zimmer hinauf und räumte meine Kleider ein. Dann legte ich Pennys Halstuch zusammen und schob es unters Kopfkissen. Als ich den Fahrplan der Busse nach Oak Bluffs studierte, glaubte ich, aus Daisys Zimmer am anderen Ende des Gangs Geräusche zu hören. Ich traf sie an, als sie gerade Sachen aus dem begehbaren Kleiderschrank holte und auf ihr Bett legte. Alle ihre Schätze. Das große Plüschtier, das sie auf dem Jahrmarkt in West Tisbury gewonnen hatte, irgendwelche alten Kosmetikartikel und Comic-Hefte. Auf dem Boden stand ein brauner Karton.
    Ihr Zimmer roch frisch, es duftete nach dem blühenden Baum vor ihrem Fenster.
    Als sie aufblickte und mich sah, fuhr sie zusammen und fasste sich ans Herz.
    »Mensch, Ed«, sagte sie. Dann kam sie zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Seit wann bist du hier? Ich hätte dich von der Fähre abgeholt, wenn ich es gewusst hätte.«
    »Ich habe mir ein Taxi genommen«, erklärte ich. »Wo sind die anderen?«
    »Mummy ist auf meine Bitte hin mit Tyler auf dem Boot, damit ich ihn vom Hals habe, und Daddy spielt Karten im Lesezimmer. Und deine Mutter …« Sie unterbrach sich. »Also, wo deine Mutter ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Es sind also nur wir beide hier.«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie verschwand in dem begehbaren Kleiderschrank und kehrte mit noch mehr Krimskrams zurück.
    »Was machst du da?«
    »Ach, ausmisten. Platz für Tyler schaffen. Die zwei alten Betten da kommen raus, dafür stellen wir ein schönes neues Ehebett hin.« Sie lächelte. »Außerdem war es an der Zeit, den Kram mal loszuwerden.«
    Ich trat ans Bett und betrachtete die Sachen. Ich erinnerte mich daran, wie wütend sie damals war, nachdem ich ihr erzählt hatte, ich wüsste von ihrem Geheimversteck. Ich hob ein altes Nagellackfläschchen auf. Dann sah ich auf dem Haufen, der für den Karton bestimmt war, die Pfeilspitze, die ich ihr geschenkt hatte, und mir wurde ein bisschen schwindlig.
    »Trotzdem, das Zimmer gefällt mir immer noch genau so, wie es ist.« Sie sah sich um. »Mit der alten Tapete und dem Seidenbaum. Ist zwar kindisch, aber ein bisschen traurig bin ich schon, dass es jetzt verändert wird.«
    »Das ist nicht kindisch«, widersprach ich.
    Sie seufzte.
    »Und was willst du mit deiner Sammlung machen?«
    »Keine Ahnung. Wegschmeißen.«
    Sie ging wieder in den Schrank, steckte aber sofort den Kopf zu mir heraus. »Kannst du dir vorstellen, dass ich in zwei Monaten eine verheiratete alte Schachtel bin? Vielleicht sollte ich Peaches zur Hochzeit einladen.«
    »Du tust es also wirklich?«
    »Was?«
    »Ihn heiraten.«
    »Was redest du da? Natürlich heirate ich ihn!«
    Ich nahm die Pfeilspitze in die Hand und rieb sie zwischen den Fingern. »Ich glaube, du solltest es besser nicht tun.«
    Sie warf mir einen durchdringenden Blick zu und setzte sich aufs Bett. »Mir ist klar, dass Ty nicht gerade dein absoluter Favorit ist, Ed. Aber ich liebe ihn.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Außerdem ändert sich dadurch nichts. Jedenfalls nichts Grundlegendes.«
    »Ich glaube trotzdem, dass du ihn besser nicht heiraten solltest.«
    »Nenn mir bitte einen triftigen Grund, abgesehen davon, dass du ihn nicht magst.« Sie klang jetzt ein bisschen verärgert.
    Der Moment der Wahrheit war gekommen. Aber ich war mir nicht sicher, ob sie es verkraften würde.
    »Na, was ist?«
    »Er liebt deine Mutter.«
    »Also wirklich, Ed, reitest du jetzt wieder auf dieser ausgelutschten Geschichte herum?«
    Ich sah sie an. »Habe ich dich jemals belogen?«
    Während sie meinen Blick erwiderte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Diese Veränderung hatte ich schon einige Male bei Leuten erlebt, denen es dämmert, dass gleich etwas ganz anderes passieren wird, als sie erwartet hatten. »Warum sagst du so etwas?«, fragte sie mich fast flüsternd.
    »Weil es die Wahrheit ist. Ich habe die beiden miteinander

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