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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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mit einem Gin Tonic kann ich nichts falsch machen – die Hausmannskost unter den Cocktails sozusagen«, erklärte Eva.
    »Sehr gut, danke.«
    »Haben Sie Hunger?« Sie klang betont höflich.
    »Noch nicht so richtig.«
    »Ja, es war ein anstrengender Tag. Man verliert oft den Appetit, wenn es hektisch wird.«
    Hughes erwiderte nichts; er wusste, wenn er ehrlich war, nichts zu sagen. Wie sollte man auch auf eine Frau reagieren, die sich erst auszieht und Minuten später wie die eigene Großmutter redet?
    Er rührte mit dem silbernen Quirlstäbchen in seinem Drink – hauptsächlich, um irgendetwas zu tun.
    »Es tut mir leid, wenn ich mich vorhin schlecht benommen haben sollte«, sagte Eva plötzlich. »Ich bin im Moment … Ich bin im Moment in einer ziemlich merkwürdigen Lebenssituation …« Sie verstummte.
    »Schwamm drüber.« Hughes rührte weiter. »Sprechen wir nicht mehr davon.«
    »Nein, ich möchte mich wirklich entschuldigen.« Sie legte ihre Finger auf Hughes’ freie Hand, zog sie aber sofort zurück, als er den Blick hob, und begann, an dem Deckchen unter ihrem Glas herumzunesteln. »Ich verlasse meinen Mann, wissen Sie.«
    »Ich verstehe.«
    »Nein, Sie verstehen nicht.« Sie zupfte heftig an dem Spitzenstoff. »Ich versuche nicht, Sie in eine Falle zu locken, bestimmt nicht. Ich glaube eher, dass mich die ganze Sache ziemlich leichtsinnig gemacht hat.«
    »Ist schon in Ordnung.« Er empfand Mitleid für diese Motorradfrau mit dem vornehmen Namen und der schlechten Ehe. »Sie brauchen wirklich nichts mehr dazu zu sagen.«
    »Danke.« Eva trank einen Schluck. »Eigentlich geht es mir ganz gut«, fuhr sie fort. »Nicht dass Sie mich für eine verstörte Frau halten, die sich jedem Soldaten an den Hals wirft. Ich liebe ihn einfach nicht – meinen Mann, meine ich –, und ich finde es nun mal besser, ihm nichts vorzumachen.«
    »Sie müssen mich nicht überzeugen«, sagte Hughes.
    »Ich weiß. Aber aus irgendeinem Grund will ich Sie überzeugen, verstehen Sie?«
    In Hughes veränderte sich etwas. Er machte sich bewusst, was es für sie bedeutet hatte, sich ihm so zu zeigen. Er schämte sich, etwas Schmutziges darin gesehen zu haben. Am liebsten hätte er alles noch einmal gemacht; diesmal aber wäre er ihr offen begegnet und hätte ihr gesagt, dass es in Ordnung sei.
    »Ja, ich verstehe«, sagte er leise.
    »Man heiratet eben immer den bestmöglichen Menschen im eigenen Bekanntenkreis und hofft dann, dass dieser Kreis nie größer wird, aber er wird natürlich größer.«
    »Ja.« Er wusste genau, was sie meinte. »Dann ist Ihr Bekanntenkreis also größer geworden.«
    »Die Welt ist größer geworden.«
    »Ich weiß nicht, ob meine Welt größer geworden ist«, sagte Hughes und dachte darüber nach. »Andererseits weiß ich zurzeit sowieso kaum mehr etwas sicher, was sehr merkwürdig ist, weil ich mir so verdammt sicher war, als ich in den Krieg zog.«
    »Unser Krieg dauert schon länger als eurer«, sagte Eva. »Wir hatten mehr Zeit, um alles zerbrechen zu sehen.«
    »Unter anderem Ihre Ehe.«
    »Ja, meine Ehe ist am Ende.« Sie hatte inzwischen bereits kleine Stückchen Spitze aus dem Leinendeckchen gerissen. »Mein Gott, ich bin wirklich ein wandelndes Klischee! Kriegsbraut und so weiter.«
    »Nein.« Hughes berührte ihr Handgelenk. »Nein, wenn sich hier einer geirrt hat, dann ich. Manche Menschen sind eben wirklich anders.«
    Eva lächelte ihn an, und Hughes’ Herz zog sich zusammen.
    »Aber vielleicht sollten Sie dieses Deckchen da mal in Ruhe lassen.« Er grinste.
    »Oh! Ja, natürlich«, sagte Eva und fragte abrupt: »Lieben Sie Ihre Frau?«
    »Ja, ich liebe sie«, antwortete Hughes, ohne die Hand von ihrer warmen Haut zu nehmen. »Aber ich möchte im Augenblick nicht über meine Frau sprechen.«
    »Ja, natürlich.«
    »Ich dachte, Sie wollten tanzen gehen«, sagte Hughes. »Mir die Sehenswürdigkeiten zeigen und so.«
    Eva lachte. »Ihr Amerikaner seid immer so unverblümt.«
    »Ich weiß. Wir können eben nicht aus unserer Haut heraus. Das kommt von der Weite des Landes und dem gesunden Leben.«
    »Musik gibt es auch hier im Hotel, im Ballsaal. Falls Sie wirklich tanzen wollen.«
    »Wenn Ihre Tanzkarte nicht schon zu voll ist.«
    »Wie es der Zufall will«, sagte Eva, »ist meine Karte im Augenblick vollkommen leer.«
     
    Nach einigen weiteren Drinks tanzte Hughes mit Eva unter französischem Stuck und verschnörkelten Spiegeln zu den Orchesterklängen von »We’ll meet again« durch

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