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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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schnell!«
    »Lieb sie schnell
    Me-ri-vel!«
     
    Ich betrete das Zimmer. Celia sitzt aufrecht in dem hohen Bett. Als ich zu ihr hingestoßen werde, wendet sie die Augen ab, doch die Gäste drängen nach und schieben mich ganz nah zu ihr. Es wird mir klar, daß ich meine Rolle spielen muß. Ich
lege meine Arme um Celia und küsse sie auf die Schulter. Ihr Körper ist angespannt und steif, aber sie zwingt sich zu einem Lachen, und die Gesellschaft stürzt sich auf uns und zieht Celia die Bänder aus dem Haar und die Liebesknoten von den Handgelenken und mir die Strümpfe und Strumpfbänder von den Beinen. Mit einem letzten Gejohle werden die Bettvorhänge um uns zugezogen, und wenn man das Liedchen »Merivel, lieb sie schnell« auch noch hören kann, so wird es doch immer schwächer, als die Gäste das Zimmer verlassen und zurück zu den Festtafeln ziehen, wo die Musiker jetzt eine lebhafte Polka spielen.
    Ich gebe Celia aus meiner Scheinumarmung frei, und sie sieht erleichtert aus. Ich ertappe mich bei der absurden Überlegung, ob Pearce wohl den ganzen Entenschenkel oder nur einen Teil davon gegessen hat. Dann kichere ich in mich hinein. Ich weiß, was jetzt geschehen wird. Der König hat es mit der ihm eigenen Liebe zum Detail geplant, und ich finde es sehr lustig. »Nun, Lady Merivel«, wende ich mich an Celia, aber sie ist nicht einmal zu einem kurzen Gespräch mit mir aufgelegt. Schon ist sie aus dem Bett und öffnet die Tür zu dem angrenzenden Kabinett, um den König einzulassen, der nun, wie wir, ein Nachthemd trägt. Er lächelt spitzbübisch, als er den Arm um Celia legt.
    »Bravo, Merivel«, sagt er, »gute Vorstellung.«
    Ich verlasse das Bett, und der König und meine Frau steigen hinein.
    Ich gehe ins Kabinett, wo für mich, wie abgemacht, ein Satz neuer Kleider (in Scharlachrot und Grau diesmal) sowie eine weiße Perücke, ein falscher Schnurrbart und eine Maske bereitliegen. Ich schließe die Tür hinter mir und will gerade mein Nachthemd ausziehen, als ich plötzlich erkenne, daß
der Plan einen Fehler hat. Um zum Fest zurückzukehren – und es ist natürlich abgesprochen, daß ich das tun werde –, muß ich wieder durch die Schlafkammer, in der sich der König und Celia, wenn ich mich in die neuen Sachen gezwängt habe, schon im Taumel der Hochzeitsnacht befinden werden. Wie ich bereits gesagt habe, bin ich nicht allzu zartbesaitet, aber ich habe wirklich keine Lust, das mit anzusehen oder sie dabei zu stören. Ich kann nur hoffen, daß sie daran denken, die Bettvorhänge zuzuziehen, und daß es mir gelingt, aus dem Zimmer zu schleichen, ohne für einen Spion oder Voyeur gehalten zu werden.
    Ich kleide mich so schnell wie möglich an. Der König wird als guter Liebhaber gepriesen; er wird also, nehme ich jedenfalls an, nicht hastig zur Tat schreiten, sondern ihr wohlplazierte Küsse, Zärtlichkeiten und Koseworte vorausgehen lassen. Das wird mir ein wenig Zeit geben. Ich lege die Maske an. Sie drückt meine an sich schon flache Nase noch flacher, und die Augenlöcher sind so schmal, daß ich mich wie ein Pferd mit Scheuklappen fühle. Der Gedanke, dieses Ding für den Rest der Nacht aufbehalten zu müssen, ist ausgesprochen unangenehm, doch ich habe keine andere Wahl, wenn ich wieder hinuntergehen und mich amüsieren will, ohne daß man mich erkennt.
    Ich bin jetzt fertig. Der rot-graue Anzug ist sehr hübsch, aber für einen Augenblick bedaure ich doch, nicht mehr die goldgestreifte Kniehose und den ausgefallenen Rock anzuhaben. Sie drückten das Wesen Merivels auf so vollkommene und raffinierte Weise aus. Als Andenken an diesen außergewöhnlichen Tag lasse ich wenigstens das purpurrote Band um meinen Schwanz gebunden.
    Ich öffne die Tür des Kabinetts, und mir bietet sich folgen
der Anblick: Der König kniet vollkommen nackt vor dem Bett, seine Arme umfassen Celias gespreizte Schenkel, und sein glänzender Kopf ist in ihrem Wäldchen vergraben. Ich stehe wie angewurzelt auf dem teuren Teppich. Es wird mir siedendheiß unter der Maske. Ich schließe die Augen und rühre mich nicht vom Fleck. Dann ziehe ich mich wieder in das Kabinett zurück und schließe die Tür.
    Wieder in dem kleinen Zimmer, fühle ich mich einsam und dem Ersticken nahe. Der Dank für das, was ich heute getan habe, kann doch wohl nicht sein, daß ich die Nacht auf dem Boden des Kabinetts verbringen muß? Ich werde warten, beschließe ich, bis der König und Celia in dieser Sache zum »himmlischen Bankett« gekommen sind,

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