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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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vorwärts in den Wald. Als ich sie niederwerfe und selbst das Gleichgewicht verliere und auf sie falle, ist es, als ob die Nacht wie das Beil des Henkers auf uns heruntersaust und unsere zweigeteilten Körper zuckend in der Dunkelheit zurückläßt.

Mein neuer Beruf
    D er schönste Raum in Bidnold (abgesehen von dem kleinen Rundzimmer im Westturm, das ich allerdings zunächst einmal freihielt, da ich noch keine rechte Vorstellung hatte, wie ich seine Vollkommenheit am besten zur Geltung bringen konnte) war das Ruhezimmer. Ich, der ich den größten Teil meines Lebens in ärmlichen Behausungen zugebracht hatte, konnte mich eines breiten, törichten Lächelns nicht erwehren, wenn ich daran dachte, daß ich jetzt einen solchen Raum besaß. Der Name »Ruhezimmer« entzückte mich, schließt er doch zwangsläufig ein, daß man außerhalb davon ein geschäftiges und vergnügliches Leben führt, von dem man sich dann gelegentlich dorthin zum Ausruhen und Entspannen zurückzieht, um an seinem prächtigen Kamin einen kleinen Brandy zu nippen oder auf seinen scharlachroten und goldenen Sofas auf reizende und nichtssagende Art mit solchen Leuten wie meiner hübschen Nachbarin Lady Bathurst zu plaudern. So tat ich denn mit meinem üblichen überschäumenden Enthusiasmus alles, um zu gewährleisten, daß mein Leben in Bidnold voller Zerstreuungen und Aktivitäten war, von denen ich mich dann von Zeit zu Zeit in mein Ruhezimmer zurückziehen konnte.
    Ich richtete mir folgende Räume ein: ein Musikzimmer (zu dieser Zeit hatte ich das Spielen auf der Oboe noch nicht erlernt), ein Billardzimmer (ich hatte damals noch nie einen Billardstock in der Hand gehalten), ein Kartenzimmer (ich spielte schon gern Rommé und Besigue), ein Studio (in dem ich meine neue Laufbahn als Maler beginnen wollte), ein
Studierzimmer (falls Pearce zu Besuch kommen und sich in dem orientalischen Glanz meines Ruhezimmers nicht wohl fühlen sollte), ein Morgenzimmer (nach Osten gelegen, wo ich zwischen neun und zehn Uhr sitzen wollte, um meine Haushaltsbücher zu führen) und natürlich einen luxuriösen Speisesaal (wo so reichlich aufgetischt werden sollte, daß man sich nach dem Essen ein wenig in das Ruhezimmer zurückziehen mußte, um dem Verdauungsapparat zu erlauben, in Ruhe und Behaglichkeit seine Arbeit aufzunehmen).
    Als Celias Ehemann erhielt ich vom König eine regelmäßige Zuwendung von jährlich zweitausend Pfund – noch ein Jahr zuvor hätte ich von so viel Reichtum nicht zu träumen gewagt. Dieses Geld erlaubte mir, eine größere Anzahl chinesischer Möbel für mein Ruhezimmer zu kaufen, seine Wände mit gerüschtem, zinnoberrotem Taft und Pekinger Schriftrollen zu behängen, seine Stühle in Scharlachrot, Fuchsienrot und Gold zu polstern und auf seinen Boden einen Teppich aus Tschengtschau von so feiner Ausführung zu legen, daß er tausend Tage auf dem Webstuhl gewesen war.
    Ich war höchst zufrieden mit meiner Inneneinrichtung. Während ich Bier für meine erschöpften Polsterer ausschenkte, gratulierte ich mir selbst dazu, daß ich die saftigen Rot-, Rosa- und Goldtöne so tadellos getroffen hatte, und sagte mir, daß ich mir jetzt nur noch schnell etwas Geniales einfallen lassen mußte, damit meine Gäste, in deren Gesellschaft ich mich in dieses Ruhezimmer zurückziehen würde, es nicht mit ihrer Tristheit verdarben. Ich hatte bald eine Idee: Ich wollte eine prächtige Kollektion scharlachroter Schärpen, heidelbeerblauer Schals, rubinroter Pantoffeln, rosafarbener Hauben und gelber Federn anfertigen lassen, mit denen ich
meine invitées zur Freude und zum Entzücken meines Auges und meines Geistes schmücken würde.
    Ihr werdet sicher schon gemerkt haben, daß Celia nicht an der Einrichtung meines Hauses beteiligt war. Es war wohl vorgesehen, daß sie sich, falls dies ratsam erschien, zeitweilig auf Bidnold aufhalten würde. Doch hatte der König sie lieber näher bei sich und der neuen Lady Merivel daher ein hübsches Haus in Kew, nur eine kleine Bootsfahrt von Whitehall entfernt, überlassen. Wie ich von meinen Freunden bei Hofe hörte, wurde darüber geklatscht, daß der König an Sommerabenden, wenn sein Verlangen nach meiner Frau stärker war als seine passion journalière für Barbara Castlemaine, ganz allein und verkleidet mit dem Boot nach Kew fuhr und sich so sträflich der Gefahr aussetzte, auf dem Wasser Gaunern in die Hände zu fallen. Im Gegensatz zu mir, der ich, was meine eigene Sterblichkeit angeht, zur Feigheit

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