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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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der Kopf des Kindes einen zarten Flaum »von einer rötlichen Farbe« habe, daß es ein wohlgestaltes Kind sei, »mit einem lauten und kräftigen Schrei«. Sie hielten es vor mir hoch, so daß ich sein Gesicht sehen konnte, und ich sah, daß es eine kleine flache Nase, ähnlich der meinen, hatte. Dann fragten sie mich: »Wie sollen wir das Kind nennen? An welchen Namen habt Ihr gedacht?« Ich erwiderte darauf, daß ich an keinen Namen gedacht habe, da man mir gesagt hätte, daß das Kind ein Junge sein und auf den Namen Anthony getauft werden würde.
    Die Frauen sahen mich vorwurfsvoll an und schafften das Kind schnell weg. Als sie gegangen waren, setzte ich mich
hin und rieb mir die Augen; und dann sagte ich mir zum ersten Mal, daß ich der Vater eines kleinen Mädchens war, das atmete und lebte. Ich legte meine Hände nach Art der Quäkerfreunde zusammen und bat Gott und die Welt, gut zu meinem Mädchen zu sein. »Laßt sie so viel Spielzeug haben , wie ich mir leisten kann«, fügte ich hinzu, »aber laßt sie nicht zum Spielzeug eines Mannes werden. « Und kaum hatte ich diese Gedanken vor mich hin geflüstert, da hatte ich mich auch schon für den Namen Margaret entschieden, der mir wert und teuer war, da er der Name meiner Mutter war. Ich stand also auf, ging zu den Frauen und sagte ihnen, daß das Kind auf den Namen Margaret nach meiner Mutter und nach Margaret Fell getauft werden würde. Sie nickten zustimmend, und von da an hörte ich, wie sie das Kind, wenn es schrie, trösteten: »Pst, Margaret, alles ist gut.«
    Doch das stimmte nicht. Nach einigen Stunden, in denen Katharine sich überhaupt nicht gerührt hatte, deckte die Hebamme eine ihrer Brüste auf und drückte die Brustwarze zusammen, um etwas Milch herauszupressen. Doch trotz der Schwere der Brüste schien überhaupt keine richtige Milch dazusein; es kam nur ein wenig Flüssigkeit, die, wie die Hebamme feststellte, als sie etwas davon von ihrem Finger ableckte, bitter wie Galle schmeckte.
    »Legt ihr das Kind trotzdem an die Brust«, sagte Frances Elizabeth, die neben ihrer Tochter stand und deren schwarzes Haar über das weiche Kissen kämmte, »dann wird die Milch kommen.«
    Also wurde Margaret auf Katharines Leib gelegt, oberhalb der verbundenen Wunde, ihr kleiner Mund wurde gekitzelt, bis er sich öffnete, und dann wurde die Brustwarze hineingeschoben. Sie begann zu saugen, spuckte die Brustwarze aber
gleich wieder aus und schrie. Sie war nicht dazu zu bewegen, wie sehr die Hebamme sich auch bemühte, an der Brust zu bleiben und zu saugen. Also wurde sie in die Krippe zurückgelegt und mit den Decken und Federbettchen zugedeckt, die für Anthony gemacht worden waren. Ich gab die Anweisung, nach einer Amme zu suchen.
    Ich setzte mich zu Katharine und nahm ihre Hand, die sich heiß und fiebrig anfühlte, in die meine. Ich sah ihr ins Gesicht – nicht in das einer armen Frau, der gegenüber ich nichts als Gleichgültigkeit empfand, sondern in das der Mutter meines Kindes. Ich wollte dieses Gesicht lieben und Zärtlichkeit für es empfinden, aber ich konnte es nicht. Daher stand ich auf und ging hinunter, da ich Angst hatte, daß Frances Elizabeth mich ansehen und meine Gedanken lesen und meine Gefühle erraten würde.
    Dort traf ich auf Finn, der in seiner Unterwäsche am Kamin saß und Flicken auf sein Lincoln-Grün nähte. Seine Kleidung war jetzt schrecklich zerlumpt, und wenn ich das Geld gehabt hätte, so hätte ich ihn von Kopf bis Fuß neu eingekleidet. Trotzdem mußte ich bei seinem Anblick, wie er dasaß und seine Sachen flickte, lächeln und konnte es nicht lassen, zu ihm zu sagen: »Aha, Finn mit neuem Beruf, wie ich sehe: Schneider!«
    Er hatte so viel Humor, zu lachen. Dann sagte er: »Ich weiß nicht, Merivel, was ich dagegen tun soll, daß ich so arm bin.«
    »Nun«, sagte ich, »warum malst du nicht ein Portrait von mir?«
    »Wie?«
    »Du hast richtig gehört, Finn. Doch male mich nicht als einen reichen Mann, in Satin gekleidet oder mit einer See
schlacht, die sich hinter meinem Kopf abspielt, sondern male mich so, wie ich bin, mit meiner alten Perücke, in Hemdsärmeln und in diesem einfachen Raum.«
    »Und wie soll mir das Geld einbringen?«
    »Ich zahle dir so viel, wie ich kann. Doch dann, wenn das Bild gut ist, nimmst du es und zeigst es in den Kaffeehäusern herum. Auf diese Weise bekommst du weitere Aufträge, nicht von Gecken, sondern von ganz gewöhnlichen Bürgern – Angestellten im Marineamt, Silberschmieden,

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