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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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seine Tochter, da sie ihr Herz dem König geschenkt habe, an nichts anderem auf dieser Welt mehr Interesse haben könne. »Nicht einmal an ihrer Mutter und mir«, sagte er. »Sie ist uns gegenüber wohl loyal und freundlich, aber wenn der König von ihr verlangen würde, uns zu opfern, um seine Liebe zu erlangen, dann würde sie es, glaube ich, tun.«
    »Sir Joshua –«, begann ich.
    »Ich übertreibe nicht, Merivel«, sagte er. »Denn solcherart ist die Besessenheit; sie ist wie ein abgrundtiefer Brunnen, in den eines Tages vielleicht sogar Menschen und Dinge geworfen werden, die einem einstmals wichtig und teuer waren.«
    »Was soll dann aus Celia werden, wenn der König sie nicht zurückholt?«
    »Er muß sie zurückholen! Sie hat mir erzählt, was er zu Euch gesagt hat. Also liegt die Angelegenheit in Eurer Hand, Merivel. Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann hat sie dem König mit Bitten zu sehr zugesetzt. Ihr müßt ihr helfen, die Torheit eines solchen Handelns einzusehen. Zynismus ist in der jetzigen Zeit der einzig mögliche Panzer, und auch meine liebe Tochter wird lernen müssen, sich diesen anzulegen. Sie muß lernen, daß das, was sie sich erhofft, niemals geschehen wird.«
    »Was erhofft sie sich denn?«
    »Ich kann es nicht sagen, Merivel. Ich schäme mich zu sehr.«
    Ich drang nicht weiter in Sir Joshua, und wir aßen eine Weile schweigend die Karbonade, wobei ich gezwungen war, ein Stückchen Knorpel auszuspucken, das Cattlebury aus Versehen in dem Schmorfleisch gelassen hatte.
    Schließlich sagte Sir Joshua: »Ihr habt ganz recht, wenn Ihr meint, daß sie möglicherweise etwas Trost – und vielleicht auch Weisheit – in ihrem Gesang finden kann. Sie hat vieles abgeworfen, aber die Liebe zum Gesang ist ihr geblieben, hauptsächlich wohl deshalb, weil es ihre Stimme gewesen zu sein scheint, mit der sie das Herz des Königs erobert hat.«
    »Ich weiß …«, begann ich, »oder vielmehr, ich wußte es nicht … kann es mir aber vorstellen …«
    »Ja. So tut alles, um sie zum Singen zu ermutigen. Ich nehme an, Ihr spielt ein Instrument?«
    »Nun, die Oboe, Sir Joshua, aber –«
    »Gut. Sie mag die Oboe sehr gern.«
    »Aber wollt Ihr denn Bidnold verlassen? Wollt Ihr nicht bei uns bleiben und Celia auf der Viola begleiten?«
    »Wie liebenswürdig von Euch. Doch ich kann es nicht. Meine Frau befindet sich nicht wohl, und sie braucht mich. Ich hätte Celia nur allzugern mit nach Hause genommen, aber wie ich höre, will der König, daß sie bei Euch bleibt.«
    »So hat er es mir gesagt.«
    »Dann muß sie bleiben. Es ist nun bald Weihnachten. Ich möchte Euch bitten, Merivel, alles in Eurer Macht Stehende zu tun, daß sie vor dem Frühjahr nach Kew zurückkehrt.«
    Als ich in dieser Nacht in mein weiches Bett stieg, in dem ich seit über einer Woche nicht mehr geschlafen hatte, erwartete ich, in meinen Träumen für meine Lügen bestraft zu werden. Doch das wurde ich nicht. Ich kann mich nur an einen sehr angenehmen Traum von Meg Storey erinnern. Ich malte ihr Portrait. Auf dem Bild trug sie ein Rupfenkleid, wie ich es bei der alten Frau gesehen hatte, die in den Graben gepißt hatte, doch im Gegensatz zu jener sah ihr Gesicht sehr schön und glücklich aus.
     
    Hier bin ich nun wieder in meinem purpurroten Anzug, wie ich mich am Anfang dieser Geschichte beschrieben habe. Ihr könnt Euch jetzt gewiß nur allzu deutlich ein Bild von mir machen. Und wie Ihr seht, bedrängen mich die Ereignisse. Ich bin, wie ich am Anfang schon sagte, mitten in einer Geschichte, aber wer kann schon sagen – Ihr könnt es nicht, und ich kann es nicht –, wie sie enden wird? Es ist sogar noch zu früh zu sagen, wie man wünschen würde, daß sie ausgeht. Ob das Ende Freude oder Enttäuschung bereiten wird, hängt von all den Überraschungen ab, die noch kommen werden.
    Seit Celias Ankunft bin ich sehr bemüht, meine Gelüste etwas im Zaum zu halten, damit sie mich lieber mag oder wenigstens weniger verachtet. Ich habe meine Gier gezügelt. Ich
bin nicht mehr im »Jovial Rushcutter« gewesen. Ich habe meinen Wein- und Sherryverbrauch eingeschränkt. Ich unterdrücke mein Furzen. Doch heute abend benehme ich mich leider wieder genau wie ein Narr und Lüstling. Ich bin bei den Bathursts, und in der Halle findet ein großes Fest statt. Der Herzog und die Herzogin von Winchelsea sind da sowie weitere ausgesuchte, geistreiche Aristokraten. Wir haben sehr viel Champagner getrunken, und nun schreien und wiehern

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