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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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wir alle vor Freude, denn der alte Bathurst, der vor einer halben Stunde plötzlich verschwunden war, ist gerade auf seinem riesigen Hengst in die Halle geritten gekommen, der nun, bestimmt weil ihn unser Anblick erschreckt hat, seinen Schweif in einem großen Bogen hochzieht, furzt und dann einen glänzenden Scheißehaufen aus seinem zuckenden schwarzen After auf das Parkett fallen läßt. Winchelsea lacht so sehr, daß sein Gesicht rot anläuft und seine Augen hervortreten, und als ich zu Violet hinübersehe (die ihren Schnaps wie ein Kahnfahrer aus Wapping in der Hand hält), muß ich feststellen, daß auch sie sich hinter ihrem Fächer vor Lachen krümmt.
    Schwankend komme ich auf die Füße. »Zur Hölle mit der Weisheit!« schreie ich. »Laßt uns Stute und Hengst spielen!«
    » Olé! « schreit Winchelsea und stampft wie ein Flamencotänzer mit den Füßen auf (mit Füßen, muß ich hier einflechten, die ständig in außergewöhnlich hochhackigen Schuhen stecken, da Winchelsea nicht so groß ist, wie er gern sein möchte), und sofort legt die ganze Gesellschaft los, klatscht in die Hände und stampft auf den Boden, alle außer einem fettleibigen, älteren Mann mir gegenüber, der sich Lady Winchelsea zugewandt hat, mit seinen fetten Händen ihre linke Brust aus ihrem Kleid holt und sie nun in der Hand hält wie
einen Gegenstand von immensem Gewicht und Wert – vielleicht eine Kugel aus solidem Gold.
    Ich lehne mich vor, um Lady Winchelseas Aufmerksamkeit zu erringen.
    »Gnädige Frau«, sage ich, »Euer Nachbar hat sich etwas von Euch angeeignet!«
    Sie blickt an sich herab. Und sieht, daß ihr weißer Busen in der feisten Hand ihres Nachbarn liegt. Sie lächelt mich voller hochmütiger Verachtung an. »Ja«, sagt sie, »ja, natürlich.«
    Dann bekomme ich einen Rippenstoß von einem Mann, den ich vom Hofe her kenne, einem weibischen Kavalier namens Sir Rupert Pinworth. »Legenden!« sagt er. »Wußtet Ihr nicht, daß sie Legenden sind, Merivel?«
    »Was sind Legenden bitte?« frage ich.
    »Frances Winchelseas Brüste. Nicht wahr, Frances?«
    Lady Winchelsea grinst Pinworth an. Ihr Nachbar hat ihre Brustwarze jetzt mit seinen bebenden Lippen umschlossen. Sie schenkt dem nicht mehr Beachtung, als böte er ihr eine Schüssel Radieschen an, nickt Pinworth zu, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und holt aus ihrem Mieder die andere Brust heraus, auf der ein entzückender Leberfleck ist.
    Ohne mit dem Stampfen und Klatschen aufzuhören, blicken nun die meisten auf Frances Winchelsea und applaudieren ihrem Busen. Ich sehe zum Herzog Winchelsea. Wenn er sich auch etwas unbehaglich fühlt, weil Bathursts Hengst rückwärts in seinen Stuhl rennt, so klatscht er doch auch Beifall. Und ich fühle mich plötzlich über alle Maßen dumm. Jeder am Tisch außer mir scheint es ganz selbstverständlich zu finden, daß Frances Winchelseas Brüste auf Abenden, an denen sie teilnimmt, zur Schau gestellt und bewundert werden.
Ich erkenne schlagartig, daß mich mein langer Aufenthalt in Norfolk von den Quellen des Klatsches und der »Legenden« abgeschnitten hat. Ich bin nicht mehr darüber unterrichtet, was sich in den gesellschaftlichen Kreisen abspielt und was man sich dort erzählt. Mein Gesicht brennt vor Scham. Ich kann Euch gar nicht beschreiben, wie töricht ich mich fühle. Ich verberge meine Verlegenheit, indem ich meine Nase tief ins Glas stecke und noch mehr Champagner in mich hineinschlürfe.
    Als ich wieder aufschaue, sehe ich, daß Lady Winchelseas Brüste weggesteckt worden sind, daß ihr ältlicher Nachbar aber noch zu ihr hinübergebeugt ist und herumsabbert. Um mich aufzuheitern, gehe ich mit Pinworth eine Wette ein, daß der alte Mann seine Hand auf seinem Schwanz hat. Ich höre mich zwanzig Shilling und Sixpence wetten. Pinworth lacht schallend und sehr hübsch und zeigt dabei seine eleganten Zähne. Er stößt seinen Stuhl zurück und kriecht unter den Tisch. Schnell taucht er wieder auf, sein Gesicht glüht.
    »Nicht bloß auf ihm, Merivel!« erklärt er. »Sondern ganz um ihn herum. Er hat das alte Ding herausgeholt.«
    »Dann schuldet Ihr mir Geld, Pinworth!«
    Er kichert. Er setzt mich davon in Kenntnis, daß er überhaupt kein Geld hat, sondern von den Gefälligkeiten lebt, die ihm aufgrund seiner Schönheit erwiesen werden. »Unterschätzt die Schönheit nicht«, verkündet er. »Sie ist die härteste Währung.« Er lügt, wenn er sagt, daß er die zwanzig Shilling Sixpence nicht hat, aber bevor ich ihn

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