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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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konnte so ein seltsames Kleidungsstück erfinden? Doch nur der Geist eines Verrückten! Und nur ein Verrückter würde so ein exzentrisches Stück seinem König darbringen. Merivel, sagte ich zu mir, als ich meinen schwarz-goldenen Rock auszog, du bist dabei, den Halt zu verlieren …
    Mir wurde ein Schläger in die Hand gedrückt. Hastig versuchte ich mich zu erinnern, welche Listen ich früher in diesem schnellen Spiel angewandt hatte, und mir fiel ein, daß mein bester Schlag ein flach angeschnittener Ball an die dedans -Linie war, der zwar gewöhnlich das dedans verfehlte, aber so flach ankam, daß mein Gegner nicht in der Lage war, ihn nach dem ersten Aufkommen zurückzuschlagen, wodurch eine »Jagd« provoziert wurde. Wenn Ihr mit dem königlichen Tennisspiel vertraut seid, dann wißt Ihr, daß sehr viele Punkte bei einer »Jagd« gewonnen oder verloren werden, und Seine Majestät, wenn sie auch einen kraftvolleren Schlag als die meisten ihrer Gegner hat, kann oft durch Schläge besiegt werden, die den Ball anschneiden, ihn so schon fast bei der ersten Bodenberührung töten und nahe an der Grundlinie aufschlagen. Des Königs Stärke liegt in seiner Treffsicherheit. In jedem Satz gewinnt er unmittelbar einige Punkte durch Schläge ins Gewinnfeld und ins dedans. Einige Spieler bei Hofe nannten ihn den Glöckner, wegen der klei
nen Glocke, die läutet, wenn ein Ball hart in diesen Gewinnfeldern aufschlägt.
    So fingen wir in diesem kalten Februarlicht zu spielen an, wobei der König ganz selbstverständlich für sich den Aufschlag beanspruchte. Mir fiel auf, daß das Netz sehr viel prächtiger geworden war: Zu meiner Zeit war es nur eine Schnur gewesen, doch jetzt war es eine verzierte Borte mit Troddeln.
    Kaum hatten sich die Kammerherren in ihren Punktezählerständen eingerichtet, als der König mir einen äußerst brillanten Aufschlag servierte, wobei der Ball an mir vorbeizufliegen schien, bevor er noch aufgeschlagen war, so, als würden wir nicht mit Bällen aus Haar und Stoff, sondern mit einem Schwarm Zaunkönigen spielen.
    Ich wußte von früher, daß der König beim Tennisspiel zwar gerne gewinnt, es aber nicht so gern hat, wenn man ihm das zu leicht macht. Er liebt den Kampf. Er hat es gern, wenn der andere rennt und rennt und niemals aufgibt. So versuchte ich denn, meine kürzliche Erkrankung vollkommen zu vergessen und so flink wie ein Wiesel zu spielen, hin und her zu flitzen und nach jedem Ball zu jagen. Unglücklicherweise war mein Spiel, da ich vollkommen aus der Übung war, schrecklich wild und ungenau. Einer meiner Bälle flog zum Punktezählerstand und einem der Herren ins Auge; ein anderer war so hoch, daß er sich in die Lüfte schwang und über die Überdachung flog – wo er vielleicht Will Gates vor die Füße fiel, der dort saß, seine Karbonade verdaute und darauf wartete, den ersten Blick auf seinen Herrscher werfen zu dürfen.
    Kurzum, mein Spiel war recht jämmerlich, und schon nach drei Spielen fühlte ich mich schrecklich elend und hatte Galle
geschmack im Mund. Ich ließ meinen Schläger fallen, so daß ich mich einen Augenblick unter dem Vorwand, ihn zurückzuholen, hinknien konnte. Ich atmete ein paarmal tief durch. Dann hörte ich, wie die Tür der seitlichen Überdachung geöffnet wurde, und ich fragte mich einen Augenblick, ob Celia gekommen war, um den Wettstreit zu beobachten und dem König nach seinem sicheren Sieg ihr liebreizendes Lächeln zu schenken.
    Doch es war nicht Celia. Es war ein Lakai, der uns Zitronensaft mit Zucker brachte. »Zitronen aus Portugal im Februar!« sagte der König. »Extra für meine liebe Königin unter Glas gereift.« So verhalf mir also diese gelassene und gutmütige Frau, die der König so oft zu vergessen schien, wenn auch indirekt zu einer kleinen Ruhepause. Ich hatte gedacht, daß sie in meiner Geschichte überhaupt keine Rolle spielen würde, doch an jenem Tage bewahrte sie mich zweifellos davor, mein spärliches Mahl auf die Steine des Tennisplatzes zu erbrechen.
    Zu meiner großen Erleichterung konnte ich das vierte Spiel für mich entscheiden. Ich war jetzt auf der Aufschlagseite. Von ihrer linken Hälfte aus gelangen mir ein seltsam brillanter Aufschlag sowie drei Slice-Aufschläge zum tambour , die der König zwar geschickt zurückgab, doch schlug er die Bälle unters Netz. In den nächsten drei Spielen war dann aber alle Kraft von mir gewichen. Der Schweiß lief mir übers Gesicht und vermischte sich mit dem Puder, mit dem ich

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