Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
einfach zu gut», stöhnte Salvia und legte mit bedauerndem Gesichtsausdruck den Löffel weg.
«Das Dessert ist von seiner Frau. Sie hat es sogar selbst erfunden. Ich weiß das von meinem Kollegen.» Guerrini kratzte die Reste der Nachspeise vom Teller.
«Scheint dir besserzugehen, Angelo.»
«Woraus schließt du das?» Guerrini tupfte seine Lippen mit der gestärkten Leinenserviette ab und streifte den Arzt mit einem kurzen Blick.
«Du hast den ganzen Abend auf sehr erheiternde Weise von deinen ergebnislosen Ermittlungen erzählt, zeigst einen guten Appetit und hast eine gesunde Gesichtsfarbe. Es könnte aber auch sein, dass ich auf deine Vorstellung hereinfalle und die gute Gesichtsfarbe vom Wein stammt.»
«Es ist nicht besonders nett von dir, meinen Beitrag zur Unterhaltung als Vorstellung zu bezeichnen.»
«Versteh mich nicht falsch, Angelo: Ich habe diesen Abend sehr genossen. Trotzdem weiß ich, dass etwas nicht stimmt und dass du es offensichtlich vermeiden willst, darüber zu reden.»
Guerrini verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
«Im Prinzip will ich darüber reden, aber ich glaube zu wissen, was du sagen wirst, und das hindert mich daran.»
Verblüfft starrte der junge Arzt Guerrini an. Dann schüttelte er den Kopf. «Erscheine ich dir so berechenbar, dass du meine Gedanken lesen kannst? Glaubst du das wirklich, Angelo? Oder liegt es daran, dass der große Commissario alle anderen durchschaut?»
«Blödsinn! Wenn du es genau wissen willst … es liegt daran, dass der große Commissario von einem lächerlichen Mafioso angeschossen wurde und seitdem von einem fliegenden Hund träumt. Außerdem rezitiert der große Commissario nachts Dante, quasi als Gegenmittel, aber er kann trotzdem nicht schlafen.»
«Hast du was dagegen, dass ich Grappa bestelle?»
«No.»
Salvia winkte dem Wirt, und Tommasini brachte unaufgefordert zwei Gläser und eine Flasche Treberschnaps. Lächelnd verkündete er, der Grappa gehe selbstverständlich aufs Haus, dann verschwand er wieder hinterm Tresen. Salvia nahm die Flasche und füllte die Gläser.
«Jetzt bin ich gespannt auf meine Antwort. Ich meine natürlich die Antwort, die du von mir erwartest.»
«Bene, wenn du es unbedingt wissen willst: Der große Dottor Salvia diagnostiziert ein leichtes bis mittleres Trauma und empfiehlt einen Spezialisten. Aber man könne auch mit ihm darüber reden. Das sei auf jeden Fall billiger.»
Salvia brach in Gelächter aus und hob sein Grappaglas. «Darauf stoßen wir an, Angelo!»
«Perché?»
«Weil deine beziehungsweise meine Antwort hundertprozentig zutrifft! Salute!»
Auch Guerrini lachte, griff nach seinem Glas und stieß mit Salvia an. Sie tranken und verzogen gleichzeitig ihre Gesichter.
«Den hat er selbst gebraut», keuchte Salvia und schüttelte sich. «Wahrscheinlich werden wir blind davon. Willst du noch einen?»
«No, grazie. Ich will wissen, welche Therapie der große Dottor Salvia vorschlägt.»
«Der große Dottor Salvia hat keine Ahnung. Ich kann dir nur sagen, was ich in deinem Fall für die Ursache des Traumas halte: Du hattest deinen Job bisher ziemlich im Griff, vero?»
Guerrini zuckte die Achseln. «Halbwegs.»
«Du bist vorher nie wirklich in Lebensgefahr gewesen oder hast total die Kontrolle verloren?»
«Nein, nicht auf diese Weise.»
«Ich denke, dass du dieses Ohnmachtsgefühl und den Kontrollverlust nicht verarbeitet hast. Da wollte dich einer umlegen, und du konntest absolut nichts dagegen machen. Grund genug für ein Trauma.»
«Grazie, du bist als Psychiater nicht schlecht. All das habe ich allerdings auch schon gedacht. Bloß: Davon geht der blöde Hund nicht weg. Was also ist die Lösung?»
«Eine einfache Lösung gibt es nicht, Angelo. Darüber reden ist gut, das ist der erste Schritt. Aber es wird dauern. Leidest du auch unter Schweißausbrüchen, Atemnot oder plötzlichen Angstanfällen?»
«Hast du noch mehr anzubieten? Bene, wenn es dich beruhigt: Ich leide nur an schlechtem Schlaf und fliegenden Hunden. Außerdem habe ich eine Allergie gegen Erbsen entwickelt.» Guerrini schenkte sich nun doch einen zweiten Grappa ein.
«Eine Allergie gegen Erbsen? Ist das dein Ernst?»
Salvia runzelte die Stirn.
«Ach, dummes Zeug! Die Bauersleute, auf deren Hof ich angeschossen wurde, heißen Piselli – Erbsen. War ein Witz. Aber ich seh schon: Kaum schlüpfst du in die Rolle des Seelenklempners, nimmst du alles ernst, was dein vermeintlicher Patient dir
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