Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
schmalen Durchgang. Langsam trat Guerrini auf den Campo hinaus. Der Mond schien so hell, dass sein Licht blendete. Mitgefühl mit mir selbst, dachte der Commissario, das ist ein ganz neuer Gedanke.
Die Büroetage der Sicherheitsfirma Saveguard lag im zweiten Stock eines modernen Geschäftshauses direkt am Auer Mühlbach. Laura Gottberg blieb vor dem Haus stehen und beobachtete das schnell fließende Wasser. Lange war der Bach in den Untergrund verbannt gewesen, erst vor ein paar Jahren hatte man ihn befreit und wieder ans Tageslicht gebracht. Er gurgelte fröhlich und roch gut, nach Sommer und Badesee.
Langsam wandte sich Laura um und betrachtete das Gebäude mit seiner Glasfassade, dem eleganten Eingang und den großen silberglänzenden Firmenschildern. Saveguard hatte ein besonders großes Schild. Weiter oben, hinter einem der Fenster wartete der Chef des Sicherheitsunternehmens auf Laura, obwohl er eigentlich nicht auf eine Kriminalhauptkommissarin wartete … Er wartete auf eine potenzielle Kundin, die von der Dezernatssekretärin Claudia in ihrer unnachahmlich überzeugenden Art bei Saveguard angemeldet worden war. So konnte Laura sicher sein, dass sie den ehemaligen Kollegen antreffen würde. Wolfang Kirr hatte bis vor fünf Jahren an leitender Stelle im Dezernat für organisierte Kriminalität in Duisburg gearbeitet. Kurz vor seiner Beförderung zum Oberkommissar war er ausgestiegen und hatte die Firma Saveguard gegründet. Seitdem war er ziemlich gut im Geschäft. Zu seinen Klienten zählten mehrere Banken und Industriebetriebe, aber auch Privatleute. Der Hauptsitz der Firma lag in München, Zweigniederlassungen gab es in Duisburg, Frankfurt und Berlin. Kirr hatte inzwischen mehr als zwanzig ständige Mitarbeiter, einige davon hochqualifiziert und zwei Drittel davon ehemalige Polizeibeamte oder Militärs.
Für die Sicherheit der Hardenberg Bank sorgte Saveguard seit drei Jahren. Seit zwei Jahren häuften sich dort sicherheitsrelevante Vorkommnisse, was den Verdacht aufkommen ließ, dass eine fremde Bank für Unruhe sorgte, um die Hardenberg Bank zu übernehmen. Jedenfalls hatte Wolfgang Kirr es so formuliert, und so stand es auch im Ermittlungsprotokoll. An einer Stelle hatte Kirr ausdrücklich die Banca libera erwähnt.
Auf das erste Gespräch mit dem Chef der Saveguard hatte Laura sich sorgfältig vorbereitet, und jetzt war sie neugierig auf diesen Mann, von dem es im Protokoll hieß, dass er von großer Überzeugungskraft sei und über hervorragende Verbindungen im In- und Ausland verfüge.
Die automatischen Türen öffneten sich vor ihr, und im Foyer gab es einen Empfangstresen und zwei Wachmänner. Als Laura direkt auf den Fahrstuhl zuging, bedeutete ihr einer der beiden höflich, dass sie sich erst anmelden müsse.
«Gehören Sie zu Saveguard?», fragte Laura.
«Nein.»
«Dann sorgen Sie also für die Sicherheit einer Sicherheitsfirma?»
«Ja.» Der Wachmann verzog keine Miene.
«Ich in gewissem Sinne auch», lächelte Laura und zog ihren Dienstausweis aus der Jackentasche. «Angemeldet bin ich schon.»
Der Wachmann nahm den Ausweis, las lange, drehte ihn dann um und winkte seinen Kollegen herbei. Die beiden flüsterten, musterten Laura, reichten ihr endlich den Ausweis zurück.
«Sie können rauf.»
«Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nicht sofort oben anrufen würden. Wahrscheinlich werden Sie’s trotzdem machen, aber ich sag’s einfach mal.»
Die Wachmänner antworteten nicht, sahen aber aus wie das fleischgewordene Misstrauen.
«Ich geh zu Fuß.» Laura winkte den beiden zu und stieg langsam die Marmortreppe hinauf, jedenfalls solange sie von unten gesehen werden konnte, danach nahm sie zwei Stufen auf einmal. Kurz darauf stand sie, ein bisschen außer Atem, vor dem Eingang von Saveguard. Es dauerte eine Weile, ehe jemand den Türöffner bediente, und Laura hatte inzwischen ihren Atem wieder unter Kontrolle.
Der Eingangsbereich machte einen eher durchschnittlichen Eindruck auf sie. Ein paar Kartons standen herum, zwei magere Palmen, zwei schwarze Ledersessel, ein Glastisch auf Metallbeinen. Der hellbraune Teppichboden schlug eine Welle. Aus einem der Büroräume eilte eine junge Frau, stockte, als sie Laura sah, und ging dann langsamer auf sie zu.
«Sind Sie angemeldet? Wer hat Sie denn hereingelassen?» Sie wirkte ganz verwirrt, und Laura war jetzt vollkommen sicher, dass sie von den Wachmännern gewarnt worden war.
«Irgendwer hat mich hereingelassen, nachdem ich geklingelt
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