Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
seine Zukunft fürchten musste, war zu den erstaunlichsten Aktionen fähig. Und Investmentbanker hatten eine Menge zu verlieren – in materieller Hinsicht jedenfalls, aber das schien ja ihr Lebensinhalt zu sein.
Vielleicht war dieser Hardenberg genauso unangenehm wie Mertens und Patulla, dachte Laura, während sie sich mühsam im Liegen auszog, unfähig, noch einmal aufzustehen. Eigentlich interessiert es mich überhaupt nicht, wer ihn umgebracht hat. Das ganze Milieu interessiert mich nicht.
Laura kickte ihre Jeans weg und zog die Decke über sich. Es gab noch eine dritte Möglichkeit in dieser undurchsichtigen Geschichte. Hinter dem anonymen Anruf könnte jemand aus dem LKA oder BKA stecken. Jemand, dem Lauras Ermittlungen ebenfalls zu nahe kamen. Ich gebe die Sache ab, dachte sie. Für einen Banker setze ich doch nicht die Sicherheit meiner Familie aufs Spiel! Oder ich erzähle Ronald die Wahrheit, und er kann eine Bombenstory daraus machen. Nein, zu riskant. Würde mich meine Stellung kosten. Ronald könnte seine Informationen verkaufen und so seinen Namen raushalten. Auch zu riskant. Ich gebe die Sache nicht ab! So einfach können die meine Ermittlungen nicht abwürgen. Weder die Banker noch meine Kollegen.
Als Commissario Guerrini gegen Abend mit Tommasini in der Villa von Paolo Massimo auftauchte, kam ihnen der Banker erstaunlicherweise entgegen und schien wesentlich besser gelaunt als in den Tagen zuvor.
«Attenzione!», flüsterte Tommasini. «Da hat sich etwas verändert, Commissario.»
Du hast verdammt recht, Tommasini, dachte Guerrini, und ich weiß auch, was sich verändert hat. Du weißt es zum Glück nicht!
«Ah, Commissario! Buona sera! Ich muss Ihnen für Ihre Großzügigkeit danken. Der Besuch meiner Assistentin hat mir erlaubt, einige Dinge in der Bank in Ordnung zu bringen. Das war mehr als nötig. Grazie!»
Massimo streckte Guerrini die Hand entgegen. Mit geradezu spitzen Fingern erwiderte der Commissario kurz den Händedruck.
«Mehr konnte ich nicht tun», erwiderte er.
«Es war schon eine Menge! Und hoffentlich bringen Sie heute Abend bessere Neuigkeiten als letztes Mal, Commissario.»
«Da muss ich Sie enttäuschen, Dottor Massimo, leider gibt es im Augenblick keine Neuigkeiten. Die toxikologische Untersuchung von Signor Hardenberg ist noch nicht abgeschlossen, die genetische der Spuren in ihrem Wagen ebenfalls nicht. Ich wollte mich nur noch einmal mit Ihnen unterhalten.»
«Soso, unterhalten. Worüber sollten wir uns denn Ihrer Meinung nach unterhalten, Commissario? Vielleicht bei einem Glas Wein oder Grappa? Für Caffè ist es schon etwas spät, finden Sie nicht?»
Der Sarkasmus in Massimos Stimme trieb das Blut in Tommasinis Wangen, zumal der Banker ihn völlig ignorierte. Er bewunderte die Ruhe, mit der sein Vorgesetzter dieser Provokation begegnete. Guerrini sagte nur: «Danke, wir möchten nichts trinken, und wir werden Sie auch nicht lange aufhalten.»
«Aber Sie halten mich nicht auf, Commissario, wie sollten Sie mich aufhalten? Ich kann nirgendwohin, kann nichts unternehmen, kann nur unter Aufsicht Telefongespräche annehmen, die gleichzeitig abgehört werden. Je länger Sie bleiben, desto besser. Meine Bewacher sind nicht besonders unterhaltsam. Ich befürchte, man hat ihnen untersagt, mir gegenüber andere Worte als ja oder nein zu benutzen.» Massimo lachte kurz auf. Es klang wie heiseres Husten. «Aber setzen Sie sich doch, Commissario.» Zum ersten Mal warf Massimo Tommasini einen Blick zu. «Ich wäre Ihnen übrigens sehr dankbar, wenn wir uns unter vier Augen unterhalten könnten, Commissario.»
«Weshalb?»
«Weil ich Ihnen möglicherweise vertrauliche Dinge sagen werde, die nicht für alle Ohren bestimmt sind!»
«Die Ohren von Sergente Tommasini sind nicht alle oder irgendwelche Ohren, Dottor Massimo. Er ist einer der besten Polizisten, die ich kenne.»
«Das bezweifle ich nicht. Trotzdem muss ich darauf bestehen, allein mit Ihnen zu sprechen. Es könnte auch in Ihrem Interesse sein, Commissario.» Massimo faltete die Hände und schaute aufmerksam zu, wie sich die gegenüberliegenden Finger nacheinander berührten. Dieses Spiel wiederholte er ein paarmal, und Guerrini stellte sich Massimo hinter seinem Designerschreibtisch vor, wie er mit gefalteten Händen Entscheidungen traf, Leute feuerte, Profit machte. Gerade schien er innerlich an etwas sehr Wichtigem zu arbeiten, und Guerrini ahnte, worum es sich handelte.
«Würdest du bitte ein bisschen nach
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