Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
um auf Hardenberg zurückzukommen: Wie Sie sehen, hat sein Tod Vorteile für mich. Gerechterweise müssen Sie aber auch die Nachteile betrachten, die ja offensichtlich sind. Ich werde des Mordes verdächtigt, bin von meiner Arbeit abgeschnitten, stehe unter Hausarrest, und wenn diese Sache an die Öffentlichkeit gelangt, wird es mit ziemlicher Sicherheit das Ende meiner Laufbahn bedeuten. Verstehen Sie mich, Commissario? Erklären Sie mir also die Vorteile, die ich aus einem Mord an Hardenberg ziehen könnte. Mi dica, Commissario! Sto sentendo!» Massimo war lauter geworden, seine Stimme schneidender, doch er wirkte noch immer erstaunlich kontrolliert.
«Ihre Argumentation klingt logisch, Dottore. Aber ist es nicht so, dass Täter im Allgemeinen darauf vertrauen – da sind wir wieder beim Vertrauen –, dass sie nicht entdeckt werden? Falls Hardenberg nicht gefunden worden wäre, hätten die Vorteile für Sie überwogen. Da ich nicht annehme, dass Sie ein routinierter Mörder sind, könnte es doch sein, dass Sie ein paar dumme Fehler gemacht haben.»
«Halten Sie mich wirklich für so blöd, dass ich Hardenberg ausgerechnet an der Außenmauer meines Parks vergraben würde?»
«Vielleicht wollten Sie ihn nur zwischenlagern.»
«Schwachsinn.»
«Wie kommen Hardenbergs genetische Spuren dann in Ihren Wagen?»
«Es war genügend Zeit, diese Spur zu legen, während ich im Wald spazieren ging.»
«Vielleicht gingen Sie ja im Wald spazieren, um genau dieses Argument zu haben.»
«Nicht schlecht gedacht, Commissario. Aber wie passt dann der anonyme Anrufer ins Spiel?»
«Das könnte ein richtiger Unfall sein, mit dem die Schwierigkeiten ihren Anfang nahmen. Zum Beispiel könnte der Bauer Rieti oder ein anderer Nachbar Sie beobachtet haben. Aber es könnte auch sein, dass Sie diesen Anruf in Auftrag gegeben haben, um die Tat einem anderen in die Schuhe zu schieben.»
«Noch mehr Ideen?»
«Im Augenblick nicht.»
«Bene, kommen wir also zum nächsten Punkt unserer Unterhaltung, Commissario. Ich empfinde meine Situation als total beschissen. Anders kann ich es nicht ausdrücken, obwohl ich so ein Vokabular sehr selten benutze. Es ist nicht meine Art, den einsamen Märtyrer zu spielen – ich suche mir gern einen zweiten, quasi einen Mitmärtyrer. Damit bin ich bisher recht gut gefahren. Es erzeugt eine Art Solidarität selbst unter Feinden. Können Sie mir folgen, Commissario?»
«Nicht wirklich.»
«Dann will ich es Ihnen erklären: Nehmen wir das Beispiel einer bekannten Mailänder Bank. Da wurde der Präsident illegaler Geschäfte, der Korruption und Kontakten zur Mafia beschuldigt. Der Generaldirektor wurde sein Mitmärtyrer, viele andere kamen dazu, auch Politiker und Söhne von Politikern, und so war die Sache nur noch halb so schlimm, denn im Grunde machten es alle so. Man kann sich gegenseitig entlasten. Das ist eine wichtige Funktion des Mitmärtyrers.» Massimo schien mehr zu sich selbst zu reden, denn er starrte noch immer ins Land hinaus, doch plötzlich wandte er sich Guerrini zu und fixierte ihn aus schmalen Augen. «Wie würde es Ihnen gefallen, Commissario, wenn ich Sie als meinen Mitmärtyrer auserkoren hätte?»
Guerrini versuchte ruhig zu bleiben, wich dem Blick des Bankers nicht aus und ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
«Ich wüsste nicht, wie das funktionieren sollte», sagte er endlich, erleichtert, dass seine Stimme fest und leicht ironisch klang.
«Ach, das ist ziemlich einfach, werter Commissario. Es hat mich nur ein paar Stunden gekostet, die Verbindungspunkte zwischen uns herauszufinden. In diesem Fall keine beruflichen, sondern situative Verbindungspunkte. Ich nehme an, dass Sie inzwischen eine Ahnung davon haben, worauf ich hinauswill …»
«Da muss ich Sie leider enttäuschen, Dottore.»
«Bene, dann werde ich es Ihnen erklären. Aber zuvor hole ich uns doch einen Wein, denn Geschäfte, von denen beide profitieren, lassen sich besser bei einem guten Getränk besprechen. Ich trinke übrigens auch nicht, Commissario. Aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme.»
Guerrini erwiderte nichts, und so stand Massimo mit einem kurzen Achselzucken auf, ging betont langsam zur offenen Küche hinüber und kehrte mit zwei Weingläsern und einer Flasche Brolio zurück.
«Roter passt besser zum Sonnenuntergang, finden Sie nicht?», bemerkte er, entkorkte die Flasche und schenkte ein.
Guerrini hatte unterdessen beschlossen, das Spiel des Bankers mitzuspielen, denn er war neugierig zu
Weitere Kostenlose Bücher