Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
über sein ohnehin frisch gekämmtes dunkles Haar, das nur an den Schläfen ein wenig Grau zeigte.
«Nun, er hatte wohl herausgefunden, dass ein Teil des Kapitals der Banca libera aus Ressourcen des organisierten Verbrechens stammte, und eine Vermengung dieser unklaren Kapitalquellen mit unserer Bank wollte er vermeiden. Was sagte er immer wieder: Es geht sowieso alles drunter und drüber im Bankgeschäft, warum die Dinge noch schwieriger machen, als sie ohnehin schon sind?»
«Hat Ihre Bank keine unklaren Konten und Geldbewegungen?»
«Ach, wissen Sie: Wer das mit hundertprozentiger Sicherheit sagen würde, der wäre ein Lügner.»
«Wenn ich richtig verstanden habe, dann war Leo Hardenberg mit seinem Vetorecht noch immer der Mächtigste in dieser Bank.»
«Ja, das könnte man so sagen.»
«Und daraus folgten Konflikte.»
«Durchaus.»
«Haben diese Konflikte sich in der letzten Zeit verschärft?»
«Auch das kann man sagen.»
«Könnten diese Konflikte Auslöser für den Mord an Hardenberg sein?»
Wieder dachte Pellmann lange nach, dann schüttelte er leicht den Kopf. «Nein, das glaube ich nicht. So heftig wurden die Meinungsverschiedenheiten nicht ausgetragen, und es hätte durchaus sein können, dass Hardenberg seine Meinung über die Banca libera noch einmal ändert. Außerdem interessierte sich noch eine zweite italienische Bank für eine Fusion und auch noch eine französische.»
«Warum wird überhaupt fusioniert?»
«Interessieren Sie sich wirklich für Bankgeschäfte, Frau Gottberg? Oder muss ich Kriminalhauptkommissarin sagen?»
«Ziemlich langes Wort, nicht wahr? Lassen Sie’s weg. Gottberg reicht völlig. Aber ja, es interessiert mich, und außerdem bildet es den Nährboden der Ermittlungen.»
«Gut, dann bilden wir den Nährboden.» Wieder lächelte Pellmann auf seine stille Art. «Fast alle Banken leiden derzeit unter einem Mangel an Kapital. Fusionen können da hilfreich sein. Jedenfalls hofft man das. Falls eine der fusionswilligen Banken allerdings die Bilanzen gefälscht hat, dann kann es böse Überraschungen geben.»
«Leo Hardenberg war also nicht der Meinung, dass die Banca libera ein seriöser Partner sein könnte.»
«Er bezweifelte es.»
«Hier im Haus hatte niemand eine besonders enge Beziehung zur Banca libera? Eine persönliche, möglicherweise?»
«Davon ist mir nichts bekannt.»
«Eine Susanne Ullmann hat Hardenbergs Ehefrau vom Tod ihres Mannes benachrichtigt. Angeblich arbeitet sie bei einer Bank in Florenz.»
Pellmann presste die Lippen zusammen und zog die Augenbrauen hoch. «Woher haben Sie diese Information?»
«Vom Chef Ihrer Sicherheitsfirma.»
«Dann wollte er wohl diskret sein. Aber in diesem Fall halte ich Diskretion für überflüssig. Susanne Ullmann ist, oder besser war, die Freundin von Hardenberg. Sie arbeitete bis vor einem halben Jahr in unserer Bank. Ganz sicher ist sie nicht bei einer italienischen Bank angestellt.»
«Wusste Frau Hardenberg von dieser Beziehung?»
«Darüber bin ich nicht informiert.»
Laura betrachtete nachdenklich das riesige abstrakte Gemälde, das gegenüber der Sitzgruppe hing. Grüne und gelbe Farbflächen, einander umschlingend.
«Wie stand Hardenberg zur Firma Saveguard?»
«Kritischer als die meisten anderen hier im Haus. Wolfgang Kirr hat eine starke Stellung und das Vertrauen der meisten Vorstände.»
«Ihres auch?»
Pellmann lehnte sich zurück und drehte die Teetasse in seinen Händen. «Tja», sagte er dann langsam und sah Laura an, «ich halte eine gewisse Distanz. Mir ist Kirr zu kreativ in Bezug auf Macht und Geld. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.»
«Ist ja auch schon eine ganze Menge», erwiderte Laura. Sie dankte Pellmann für seine Antworten, und auf dem Weg zu ihrem Wagen fasste sie einen Entschluss, von dem sie annahm, dass er viele Menschen überraschen würde.
Nach ihrer Rückkehr ins Präsidium rief Laura Patricks Eltern in London an – ein erster Schritt zur Umsetzung ihrer Entscheidung. Sie erklärte kurz die Lage, bat darum, Patricks Besuch zu verschieben und stattdessen Sofia für eine – hoffentlich – kurze Zeit aufzunehmen. Die beiden könnten dann gemeinsam nach München zurückkehren, wenn sich die Lage beruhigt hätte. Die irisch-englischen Bekannten ihrer Kinder zeigten sich so besorgt und hilfsbereit, dass auch Luca eingeladen wurde. Doch Luca war versorgt, und so blieb es bei Sofia.
«Patrick will be delighted!», sagte seine Mutter und lachte.
«So will Sofia»,
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