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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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Versunkenheit.
    »Wir sind angekommen«, sagte Aul, »draußen wird Vater auf uns warten. Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe. Er ist ein alter Mann, du mußt ihm manches nachsehen. Erwähne auch nicht unsern Plan – ich möchte erst mit Me sprechen. Wenn er mir und Vater ebenfalls die Rückkehr gestatten sollte, dann könnten wir vielleicht auch deinen Dolmetscher mitnehmen…«
    »Aul, das ist eine geniale Idee!« rief ich begeistert. »Hausangestellte sind bei uns Mangelware.« Obwohl ich nicht ernsthaft an die Durchführbarkeit ihrer skurrilen Idee glaubte, erheiterte mich der Gedanke, mit dem Kleinen einen Beweis für meine Reise zu erbringen. Ihm fehlte nur noch ein Name. Ich schlug vor, ihn Fritz oder Fritzchen zu nennen, falls er nicht weiblichen Geschlechts sei. Doch mein Dolmetscher war ein Neutrum. Er verbeugte sich auch prompt und sagte gelassen: »Meine Name ist Fritz oder Fritzchen.«
    Der Ernst, mit dem er diese Feststellung traf, brachte mich zum Lachen. Aul befahl ihm etwas. Fritz machte kehrt, ging auf die Wand zu, die uns von der Steuerzentrale trennte. Ich glaubte, ein Spuk narre mich, als er durch die Wand hindurchging. »Wenn das so weitergeht, werde ich wahnsinnig«, murmelte ich verstört. »Hast du das gesehen, Aul? Er ist durch die Wand gegangen…«
    Aul blickte mich an, als hätte ich etwas sehr Dummes gesagt. Sie nahm meine Hand und zog mich zur Wand. »Hier ist nichts«, beteuerte sie, »nur ein Strahlenschirm, der unliebsame Elementarteilchen absorbiert.«
    Ich griff in die vermeintliche gläserne Wand, spürte keinen Widerstand. Nun begriff ich, wie Aul so unverhofft aus dem Nichts aufgetaucht war.
    »Das Feld erhält durch Sigmabestrahlung eine rötliche Färbung«, klärte sie mich auf. »Man kann es auch blau oder grün einfärben. Ich ändere die Farbe immer nach meiner Stimmung. Möchtest du Grün?«
    Ich verneinte. »Sigmabestrahlung«, wiederholte ich respektvoll, »es ist klar, daß ihr euch in solchen Sachen auskennt. In meinem ganzen Leben würde ich das nicht kapieren.«
    »Daran ist nichts zu begreifen«, versicherte sie, »man braucht nur die Kappastrahlen zu absorbieren, die beim Aufbau der Minuskerne entstehen. Dann werden Omikronteilchen in negativer Proportion mit Lambda-Minus-Hyperonteilchen eingeschlossen und mit Sigma bestrahlt… Warum lachst du? Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    Auf meinen Lippen lag ein verständnisloses Lächeln. Es fehlte nicht viel, und ich hätte auch noch die Augen verdreht und mit den Ohren gewackelt. Auls Erläuterungen erinnerten mich an meine Schulzeit. In der Mathematikstunde hatte ich mir dieses verzweifelte Grinsen angewöhnt, wenn mein Lehrer, Dr. Sandig, mich aufforderte, an der Tafel aus einem Gewirr von Zahlen, Zeichen und Buchstaben ein X herauszufinden.
    »Nein, Aul, du hast das Feld ausgezeichnet analysiert. Ich bitte dich nur, vorerst nicht mehr von negativen Proportionen und Minuskernen zu sprechen. Es regt mich zu sehr auf.«
    Fritz kam durch die absorbierte, negative Wand zurück. Er verneigte sich vor mir und überreichte mir etwas. Es war meine Armbanduhr. Aul wollte wissen, was es mit dem sonderbaren Gegenstand auf sich habe. Ich erklärte ihr den Sinn des Zeitmessers und befestigte ihn an ihrem Handgelenk. »Auf der Erde ist eine Uhr sehr nützlich, Aul. Sie soll mein erstes Geschenk für dich sein.«
    Ich hatte an die Uhr nicht mehr gedacht und wollte nun ihr Wiederauftauchen mit einer Geste verbinden. Aul reagierte auch echt weiblich auf mein überraschendes Geschenk, hauchte mir einen Kuß auf die Wange und wurde nicht müde, den seltsamen Schmuck immer wieder zu betrachten und dem Ticken zu lauschen.
    Dann fragte sie mit umwerfender Naivität: »Sag, tragen alle Weiber auf der Erde solchen Schmuck?«
»Fast alle, Aul. Aber sage bitte nicht immer Weiber. Dieser Ausdruck ist heute nicht mehr üblich; er klingt ordinär. Man sagt Damen oder Frauen oder auch Mädchen. Manchmal kann man auch Fräulein oder gnädige Frau sagen. Ein verliebter junger Mann darf sein Mädchen auch Liebling nennen, und wenn er sehr vertraut mit ihr ist, sagt er einfach ›Süße‹ zu ihr oder ›Puppe‹ oder auch mein ›steiler Zahn‹ – du wirst das alles noch lernen.«
Aul machte ein ratloses Gesicht und sagte seufzend: »Vater spricht immer nur von Weibern – wie kompliziert doch die Wirklichkeit ist. Du wirst mich umprogrammieren müssen – ich bin wohl ein sehr unwissender steiler Zahn?«
»Du bist das klügste Mädchen, dem

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