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Zeit der Sternschnuppen

Zeit der Sternschnuppen

Titel: Zeit der Sternschnuppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Ziergiebel
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ich je in meinem Leben begegnet bin«, erklärte ich schmunzelnd.
Von draußen drang eine Männerstimme zu uns herein. Fritzchen übersetzte: »Was treibst du so lange, mein Täubchen, hast du deinen alten Vater vergessen, weil das Panier der Liebe über dich gekommen ist? Laß mich nicht länger warten…«
Panier der Liebe – die beiden mußten sich gründlich mit meiner Ankunft beschäftigt haben und wer weiß was für Hoffnungen damit verbinden. Begreiflich war die Ungeduld ihres Vaters, der in all den Jahren nur mit seiner Töchter hatte reden können.
Aul zeigte nach der ungeduldigen Frage ihres Vaters nur ein verträumtes Lächeln und befahl Fritzchen zu öffnen. Diesmal verschwand der Kleine nicht hinter einer ominösen Wand, sondern öffnete den Einstieg durch einen Knopfdruck. Strahlende Helle war hinter der Öffnung. Als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, sah ich im gleißenden Licht einen Mann stehen.

9
    Obwohl mir Aul ihren Vater nie beschrieben hatte, überraschte mich sein Äußeres nicht; ich war auf einen alten Mann vorbereitet. In bestimmten Lebensjahren ähneln sich wohl alle Menschen ein wenig; Säuglinge sind schwer voneinander zu unterscheiden, und sehr alte Menschen gleichen sich in der Würde ihrer Runzeln.
    Auch das Gesicht dieses Mannes war voller Fältchen. Ein stattlicher Bart, grau wie Zement, umrahmte sein Antlitz, wallte ihm bis in Kniehöhe herab. Auch er trug ein dunkles Trikot, von dem sich das Fettpölsterchen eines kleinen Bäuchleins recht anschaulich abzeichnete. Langes Haupthaar, das ihm bis auf die Schultern fiel, verlieh dem Alten ein ehrwürdiges Aussehen.
    Minuten stand er vor mir, unbeweglich wie eine Statue, die Arme übereinandergekreuzt, die wäßrig-blauen Augen unverwandt auf mich gerichtet. Sein Blick war prüfend, als wollte er mein Innerstes erforschen, doch war nichts Aufdringliches darin. Im Gegenteil, von seiner ganzen Erscheinung strahlten Wärme und Sympathie aus. Endlich verneigte er sich tief vor mir, was ich ehrerbietig ebenfalls tat. Dann wandte er sich seiner Tochter zu, umarmte sie und küßte sie mehrfach auf die Wangen.
    Nach dieser Begrüßung trat er zu mir und sagte, was Fritzchen unverzüglich übersetzte: »Willkommen, mein lieber Sohn. Meine Sprache ist zu arm, mein Wortschatz zu gering, um dir meine Freude zu schildern. Du siehst mich tief bewegt; ich bin voller Dankbarkeit gegen ihn, der dich zu uns gebracht hat. Deine Gegenwart ist mir so teuer wie mein Augenlicht, durch dich ist mir noch einmal das Glück und die Freude meines Lebens geschenkt worden. Willkommen also in meinem Paradies.«
    Nach diesen salbungsvollen Worten war die Reihe an mir, ihm meine Wertschätzung auszudrücken, allein ich war darauf nicht vorbereitet, stotterte unbeholfen: »Auch ich schätze mich glücklich, also, es ist ja ein schöner Zufall, daß wir uns hier getroffen haben und… ehm… Tja, ich wußte eigentlich gar nichts von diesem Mond, in meinem Fernrohr konnte ich immer nur vier Jupitermonde sehen… Ich hätte wirklich nicht geglaubt – die Entfernung ist ja doch respektabel…«
    Ich wußte nicht mehr weiter, zumal mir diese Szene lächerlich vorkam. Aul half mir aus der Verlegenheit, übersetzte meine Antwort und dichtete offenbar noch was dazu, denn der Alte schien zufrieden zu sein. Er breitete die Arme aus und drückte mich an sich wie ein Schwerathlet. Meine Rippen knackten. Ich ergab mich seinen Liebkosungen wie ein Schiffbrüchiger dem tobenden Orkan.
    Nie werde ich diese Schmatzer vergessen. Er küßte mich nach einem vorgeschriebenen Ritual ab, zuerst die Wangen, dann die Stirn, dann abermals die Wangen und schließlich sogar den Mund. Sein Bart kitzelte. Laß, Vater, genug sein des grausamen Spiels, dachte ich verzweifelt und bedauerte, daß mich seine Tochter nicht so begrüßt hatte. Ich atmete erleichtert auf, als er endlich innehielt. Doch der Kelch war noch nicht bis zur Neige geleert. Der Alte hatte ein begreifliches Nachholbedürfnis, denn nun erwartete er von mir das gleiche Zeremoniell.
    Aul lächelte mir aufmunternd zu. Wohl oder übel mußte ich ihm nun ebenfalls einige Küsse auf Wange und Stirn hauchen. Als der schwierige Begrüßungsakt endlich überstanden war, wies der Alte in eine Richtung und ging voraus. Aul und ich, gefolgt von Fritzchen, wir schlossen uns an.
Ich will nicht behaupten, daß mir das Ungewöhnliche bereits zur Gewohnheit geworden war. Dazu weilte ich mit vollem Bewußtsein erst viel zu kurze Zeit in

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